Einen Tall Cappuccino, drei Euro. Gleichgültig, ob man beim Verlassen der gedämpft burgunderfarbenen Sessel aus falschem Samt den Hackeschen Markt oder die verschlafene Fußgängerzone eines Sonntagmorgens in der Provinz vor Augen hat. Hier, fünfzehn S-Bahn-Minuten von Stuttgart entfernt erscheint mit neuem Starbucks Coffee ein lässig gebräunter Tresenjunge Karim wie eine Packung globalisierter Oreo Cookies zwischen Butterkeksen und Werther's Echten Karamellbonbons. Und eine kühle Anonymität, der die wenigen durchgestylten Quadratmeter ein erstes Zuhause bieten.
Hey, Küsschen, Küsschen. Bei Karim ist alles gut, easy, und heute sowieso - erzählt er der entspannten Mittdreißigerin neben mir während er gähnende Langeweile aus perfekt geformtem Milchschaum in meinen Pappbecher gießt. Niemand ist nicht allein hier an einem Sonntagmorgen und keinen davon habe ich je zuvor gesehen. Ist Starbucks der neue Hort für Einzelgänger der Kleinstädte, die Zuflucht vor neugierigen Blicken über halbhohe Küchengardinen? Ist die oberflächliche Gemütlichkeit zum Mietpreis einer kostspieligen Koffeindosis Nährboden neuer Einsamkeit oder die Chance auf lebensnotwendiges Alleinsein - auch in der Öffentlichkeit? In einem Selbstversuch flirte ich zaghaft mit der Anonymität offener Perspektiven in Begleitung eines lauwarmen Lifestyleobjekts, verwegene Frühlingsluft um die unsichere Nase, nur einen coffee to go von der Grenzenlosigkeit entfernt.
[Bild: brokencitylab.org]
Montag, 1. März 2010
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