Freitag, 29. Januar 2010

Die Bettkante für britpop boys

Auch sechs Tage nach Ende der Fashion Week in Berlin löst sich der inhaltliche Knotenpunkt nur stockend. Debatten über die Existenzberechtigung der Hauptstadt als Modemetropole, die Rolle des Diskurses in der Blogosphäre und die gebotene Kost für hungrige Konsumenten halten mich und das Netz in Atem, noch immer, ein wenig. Nach nervenaufreibendem Waten durch gewohntes Schneetreiben, Absolvieren des Universitätsalltags und ausgiebiger Textproduktion für das Missy Blog komme ich an einem Freitagnachmittag vor dem Laptop langsam zu Kräften - neue Formen des Winterschlafs, aus denen man am Ende der Woche mit müden Augen erwachend aus dem Fenster blickt.

Tanzen. Bei den ersten sanften, sektperlenden Berührungen einer Jugend mit dem Nachtleben verkehrte man vorwiegend in vereinzelten süddeutschen Kellerclubs, in denen für fünf Euro die im wesentlichen mit Gitarren ausgestattete Indie-Avantgarde den Sound für Teenierebellionen zum Besten gab. Die gute Zeit der Subkultur begann früh, mit dem Kommerz zu flirten bis eines Tages Dance with Somebody von Mando Diao die Ehe vor den Augen ihres skeptischen Publikums besiegelte. Daneben reihenweise hübsche Bübchen mit zerzausten Haaren, inthronisiert von der Musikindustrie und fitgemacht für den Trend der Masse. London als Zentrum der Macht und der stetigen Reproduktion des Britpopjungen fungiert unterdessen im selben Moment als Quelle einer neuen musikalischen Strömung, the so called wonky pop. Schräg, laut, bunt und trotzdem Pop, durchsetzt von karibischen Klängen, Rap und Elektrobeats distanziert er sich bewusst von einst Indie getauften plastic boys und nimmt damit die Clubs mehr und mehr in Beschlag.

Bezeichnend ist allem voran die Weigerung der Künstler_innen, ihre echten und exquisiten Persönlichkeiten einer Marketingstrategie unterzuordnen. Eine von ihnen, The Cocknbullkid, die ihre Musik mit sounds like crying and trying not to laugh at the same time beschreibt, erzählt den Leuten von Arte (//Tracks vom 28.01.) zwischen zwei Liedern, dass sie wohl irgendwann früher einem industriellen Ideal entsprochen hätte - schlanker und mit geglättetem Haar, das sie heute in seiner ursprünglichen Afrokrause trägt, das sei alles scheiße, sie wollte sein wie sie ist, nur für sich, hätte sie sich damals gedacht. Man glaubt ihr, wie sie auf der Bühne steht und einem Weltschmerz ein farbenreiches Kleid aus markanter Popmusik überstreift, es ist die Überzeugungskraft ihrer Authenzität. Hörproben findet ihr hier.

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Bevor ich mich nun dem Sog des Wochenendes hingebe noch eine Textempfehlung bei der Mädchenmannschaft - Gebt den Mädchen ihre Sexualität zurück - ein Artikel, der auf den Text von Malte Welding zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Bezug nimmt:

"Bis heute akzeptieren wir, dass der erste Geschlechtsverkehr für Mädchen häufig mehr „naja” als „geil” ist, impfen ihnen „mach nichts, was du nicht willst” ein statt „finde heraus, was dir gefällt”, geben uns damit zufrieden, wenn der Partner verständnisvoll ist."

[Bild: The Cocknbullkid via derbyandfirst.com]

Montag, 25. Januar 2010

Worte an die Netzkultur




"Du kannst Menschen nicht etwas erklären, das sie noch nie selber erlebt haben. Die Faszination des Internet muss man erleben, um sie nachzuvollziehen." Suzy Menkes





Zwei Tage nach Ende der Berlin Fashion Week scheint es, als würde der Hype um die Modeblogosphäre mit jeder neuen Episode im Zelt auf dem Bebelplatz weiter anwachsen. Suzy Menkes, die Halbgöttin des Mediums vom britischen Herald Tribune erklärt dabei in zwei prägnanten Sätzen, warum die Großen der Branche das Netz als aktuellstes Publikationsorgan noch nicht zu schätzen lernten. Die Faszination, einen Blog zu schreiben über Mode, Politik, Feminismus und Zeitgeist habe ich vor einigen Tagen bereits versucht, in kleidsame Worte zu schnüren, Menkes bringt die Thematik auch abseits der Laufstege auf den Punkt. Im Angesicht dessen streift der Rest des Artikels in der Frankfurter Rundschau, in dem ich das Zitat fand, die Netzkultur um Blogs lediglich aus der Ferne mit zaghaften Überblicken - beschränkte Wahrnehmungen von "in kürzester Zeit durchs Netz gejagter Geschichten", in der "Schnelllebigkeit des Internet" liegt Lieblosigkeit im Subtext. Für die Autorin hat Suzy Menkes offenbar mitgesprochen.

Ein wunderbares Beispiel für das diskursive Potential zwischen Mode und Blogs gibt es seit heute bei quite contrary zu sehen: videogebloggt von Mary Scherpe (Stil in Berlin) und Timo Feldhaus (De:bug) über das Spannungsfeld zwischen Schwergewichten und jungen Kreativen der Branche, Wladimir Karaleev und Wolfgang Joop; eigenwillige Erzählformen in Kurzfilmlänge, hinter denen viele Gedanken stecken, die den Hauch einer Ahnung von der Gestaltungskraft "des Internet" vermitteln sollten.

Im letzten Nachhall der Fashion Week empfehle ich ansonsten den Pressespiegel bei LesMads - ein reichhaltiger Rückblick gespickt mit weiterem Bildmaterial sowie Informationen und Links zu den Stimmen der Zeitungen. In der Zwischenzeit werden Zelte abgebaut und Bühnen von letzten Stofffetzen geräumt, bis zur nächsten Berliner Modewoche im Juli bleibt für manchen im günstigsten Fall auch ein wenig Zeit, das Netz einmal aus der Nähe zu betrachten.

[Bild: 44Flavours // artschoolvets.com]

Freitag, 22. Januar 2010

Die Bretter Berlins

Schwere Lider vor dem Laptop, die traditionelle Freitagnachmittagskaffeetasse durch Red Bull ersetzt, Notwendigkeiten der Nachwirkung zweier wetterbedingt und von Schlafmangel durchwachsener Tage in Strasbourg. Der Herausforderung, über Europa zu schreiben - Kioskgift, übertragen auf in Klicks gemessene Aufmerksamkeit - stelle ich mich seit gestern in einer neuen Folge Stadtpiratin beim Missy Mag in einer kurzen Revue politischer Begegnungen mit verschlafenen Institutionen, neuen Ämtern und phlegmatischem Hadern mit der Frauenquote. Die Wirkung Europas für eine Stadt, der die Präsenz von Parlament und Rat identitätsstiftend und überlebenssichernd ist, liefert dabei ausreichende Argumente um europäischen Gedanken Raum und Text zu geben.

Wenn auch nicht körperlich anwesend, hält die Mercedes Benz Fashion Week mit einer schier unendlichen Verfügbarkeit bebilderter Eindrücke im Netz meine Augen gefesselt, Beeindruckungsmaschine Berlin in einer neuen Episode des Rummels um die Aufmerksamkeit der Modeindustrie. Erwachsen gewordene Mädchenträume, Substitution der rosa Lackschuhe, die ich nie besitzen wollte mit hungrigen Blicken in Richtung der Kunst des goldenen Schnitts auf den Brettern, die auch in Berlin eines Tages die Welt bedeuten sollen.

Das erste Showvideo, das ich zu Gesicht bekam, stammt von der Präsentation der hörbar österreichischen Lena Hoschek - wie Tessa von flannel apparel in einem Artikel über Luftküsse in Sepia schreibt nicht unbedingt ein Gewinn für die modische Relevanz der Schauen. Zu sehen gibt es bodenständig rote Lippen, wiegende Hüften und eine Kreuzung des boyfriend style mit biederem Landhaus-Chique - Hoschek ist nicht angetreten, neue Trends zu setzen.


Weitaus mehr Potential zum Favoriten haben die Designerinnen Livia Ximénez-Carrillo und Christine Pluess von Mongrels in Common aus Berlin-Mitte. Sie zeigen klare Linien, überzeugende Schnitte und hochwertiges Material, brechen die Strenge der Klassik gekonnt mit feinen Details wie etwa gerafften big shoulders - das Video der Show ist hier zu finden.












Effekthascherei dagegen bei der Show von G-Star auf der parallel stattfindenden Streetwearmesse Bread&Butter. In einer fulminanten Show wird die hochglänzende Daunenjacke aufgewärmt, gemusterte Strickmäntel über einem Cardigan über den Laufsteg gezerrt und die Kollektion mit ein paar Uniformelementen zementiert. Dazwischen Königsblau auf seinem Weg zum neuen Lila - Videomaterial dazu bei berlinfashion.tv.

Während ich mich mit nachlassender Wirkung eines mäßig beflügelnden Getränks weiter von ausbrechendem friday night fever entferne noch ein Hinweis auf zwei weitere Highlights in puncto Catwalk: zum einen Porn and Fashion, Silikon und nackte Haut ohne einen Hauch von Erotik bei Patrick Mohr unter dem Motto "are we shaved?"; des Weiteren ein Programmpunkt für die früheren Abendstunden, die Übertragung der Michalsky StyleNite aus dem Friedrichstadtpalast per Livestream, heute ab 22 Uhr.

Bilder: Mongrels in Common, mercedes-benzfashionweek.com

Montag, 18. Januar 2010

Das Fashion-Karussel

Spürbar beginnt es, sich zu drehen. Übermorgen - Mittwoch, den 20. Januar - ist der Tag des Auftakts für die Shows im weißen Zelt der Fashion Week auf dem Berliner Bebelplatz. Bis dahin Styledebatten, Körperkult und Programmhinweise. Für alle Interessierten, die nicht an Platzkarten gekommen sind, sei hier auf die Liste der Events ohne Einladung bei LesMads hingewiesen - eine dicke Portion Augenschmaus ist dieser Tage in Berlin auch ohne Front-Row-Abo zu haben.

Wie von mir bereits auf dem Blog des Missy Magazine zu lesen war, werden wir nach dem PR-Gag der Brigitte die gebotene Klamottenkunst auch weiterhin an elfengleichen Körperchen zu sehen bekommen - eine in der mageren Verpackung neuer Diäten kaum auffindbare neue Weiblichkeit findet nach wie vor keinen Anklang in den Ohren der Fashion Familie. Lesenswerten Input in puncto Körperzirkus gibt es jedoch weiterhin: Libby Brooks etwa schreibt in einem bemerkenswerten Artikel beim Guardian über die eigene Unvertrautheit mit lebensechten Frauenkörpern - "Women's right to choose was not meant to be about Botox".

"...how unfamiliar we have become with the familiar sight of the female form. From the cult of the Virgin Mary in late-middle ages European art to the surgically sculpted cover girls of today, the perfected female nude has been rendered the idealised aesthetic and unequivocal, aspirational norm. We live in an era of perfectability, where cosmetic procedures are marketed according to how effectively they may be executed in a lunch hour, and almost half of secondary-school girls would consider some form of surgical intervention to change the way they look."

Währenddessen sitze ich auf gepackten Koffern für einen two days trip nach Strasbourg, in Gegenrichtung des style hype auf der Suche nach gemütlichen Cafés und irgendwelchen Spuren eines politischen Europa. Das perfekte Lied für die Reise und für ein zaghaftes Katerlächeln nach durchtanzter Nacht habe ich soeben bei der Selbstdarstellungssucht entdeckt: The Kills mit I call it art. Fernab von Berlins Streben nach Bedeutung als Fashion-Metropole verlasse ich mich dabei guten Gewissens auf feinste Berichterstattung aus dem Herzen der Modeblogosphäre sowie auf zeitechte Darbietungen per Livestream.

Freitag, 15. Januar 2010

Die Dehnbarkeit des guten Geschmacks

Zum üblichen Hype der im Vergehen begriffenen Woche gesellt sich ein geklauter Lieblingsparka, reflexartige Verflüchtigung sämtlicher Entspannungsgefühle nach einer Yoga Session und die fieberhafte Suche nach würdigem Ersatz querbeet durch die so called Metropolregion Rhein-Neckar. Befremdung spätestens angesichts einer übereifrigen Verkäuferin, die sich in mir zum Ziel gesetzt hat, "endlich mal eine Heidelbergerin mit Stil" komplett einzukleiden. Das erste Jeansjäckchen probiere ich aus Höflichkeit - um danach fluchtartig die Location zu verlassen und die neue Lieblingsjacke beim Klamottendealer meines Vertrauens schräg gegenüber meiner WG aufzugabeln. Schräge Streifzüge.

Gedankenexperimente über das Studium als entscheidende Phase einer nie abzuschließenden Persönlichkeitsentwicklung im Stile des letzte Woche erschienenen Films 13 Semester. Die Story zeichnet fünf standardisierte studentische Charaktere im Dunstkreis der Uni Darmstadt und erzählt dabei von persönlicher Entfaltung und Stillstand, Sehnsucht nach der Konservierung bierseeliger Küchengemütlichkeit, Karrieren, Eroberungen und Prüfungsdruck. Im Großen und Ganzen ein Film, in dem sich jede_r aktuelle oder ehemalige Einheimische eines vergleichbaren Settings in irgendeiner Weise wiederfinden kann; dazu eine sensibel entwickelte Handlung, welche selbst die Rasterhaftigkeit der Rollen beinahe auszugleichen in der Lage ist. In Begleitung von Popcorn und Bier nehme ich gebotene Typen unter die Lupe und grinse über das Resultat: ein angekitschtes Happy End in Form einer innovativen Maultaschenbude im Herzen Sydneys und die süßliche Message á la nutze den Stil, der irgendwo in dir steckt.

Individualistische Anstrengungen während die einfachste Methode der Suche nach eigenen Wünschen und einem Ausdruck in Worten und Kleidern in den verschiedenen Grautönen der Anzüge und Bleistiftröckchen liegt, für die das Süddeutsche Zeitung Magazin in heutiger Ausgabe den aktuellen Paten gekürt und ein paar snobbige MünchnerInnen in dessen stilistischer Anhängerschaft abgelichtet hat. Ein gegelter Freiherr zu Guttenberg wird zum Vorbild einer glatten Generation businessmäßiger Opportunisten - wer das Phänomen lediglich als Symptom einer Luxusstadt im Süden des Landes zu den Akten legt, hat sich vermutlich zum Anlass des eigenen Aufbruchs gegen BWL, Jura oder Medizin entschieden und dabei bereits dem Individualismus ein erstes style statement geschenkt. Mir hingegen sind der Opportunismus, die Haupthaarpomade und gestreifte Hemden mit Tiermotiven, wahlweise Krokodil oder Polopferd, so nah wie mein Banknachbar im überfüllten Hörsaal. Der Exzellenztitel für die Universität Heidelberg bewirkt sichtbar zunächst nur deren überhöhte Anziehungskraft für Karl Theodors jungspießiges Gefolge. Das Verlangen nach eigener Sicherheit durch Anpassung wird selten durch ein Studium der Soziologie oder Kunstgeschichte gestillt, in der Geschwindigkeit des Stroms fließende Entwicklung des eigenen Lebenslaufs, Perversionen des Ich.

Visuelle Fluten von Segelschuhen, Kaschmirschals und Louis-Vuitton-Täschchen, niemals ohne die zu vollkommener Übersättigung tradierte Logoprägung, machen ein Mädchen in Stiefeln und Anorak in einer Kleinstadt mit zahlenmäßig um sich greifendem karrieristischen Dresscode für die Verkäuferin einer kleinen Boutique zum Ziel des Tagesgeschäfts. Dazwischen unsichere Arroganzen, denen eine kapitale Einsicht fehlt: no-one's gonna love you for your Timberlands, honey. Weil die Natürlichkeit eines einzigartigen Stils das i-Tüpfelchen ist für die Betrachtung urbaner Szenerien aus dem Straßencafé. Und sollte mein Auge dabei ziellos zwischen den Rucksäcken der Touristen und zertretenem Businesschic hängenbleiben, gibt es glücklicherweise die streetstylebloggenden Lieblinge Stil in Berlin und Konsorten um Balsam zu spenden gegen zuviel der konservierten Tradition.

[Bild]

Donnerstag, 14. Januar 2010

Stuck up with colours

Now boys play with pink girls at the break
See they're not blindly stuck up with colours
And girls like to run with boys
In the muddy school garden
And pick up frogs and worms
From the generous earth

The Dø // Playground Hustle



Textfetzen aus dem Kopfhörer in der Bahn und dank Prosieben ein paar Häppchen des alten Girlieschemas in einem Format, das Innovation ebenso weitgehend vermissen lässt - dürftig kaschiert von schwarzen Rändern verheulter Wimperntusche. Zu mehr als Nudeln mit Pesto bin ich ohnehin nicht in der Lage, mehr Text von mir findet ihr bis morgen auf dem Blog des Missy Magazine.

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Donnerstag, 7. Januar 2010

weil es mich süchtig macht

Vielleicht war Twitter die Einstiegsdroge. Während mein Blog in seinen ersten Zügen langsam Konturen annahm tippte ich mich durch die Online-Registrierung, Einspeisung einer Biographie in 140 Zeichen. Spätestens an diesem Punkt wird klar, wie viel zu gut die Kürze funktioniert; dazu kommen ein Twitterfeed auf dem Blog sowie die stetige Befüllung meiner Timeline mit interessanten Menschen und dem latest crush der Nachrichtenwelt, personal entertainment neben Information und Selbstdarstellung. Erst das Mikroblogformat, mit jedem Tweet wachsender Ausdruck einer Netzpersönlichkeit, das mich an sich gekettet hält, macht die Stadtpiratin und mich unzertrennlich.

Mit einem kleinen Lächeln denke ich manchmal an meine Zugfahrt Hannover-Heidelberg im letzten Juni, der Weg nach Hause von den Jugendmedientagen 2009. Ein Bekannter hatte mir damals die Anmeldung ans Herz gelegt, könnte ganz interessant für mich werden, meinte er. Im dreitägigen Programm vor Ort fand ich mich umringt von Massen angehender AbiturientInnen, deren Zukunftspläne in Erzählcafés, Workshops und beim Mittagessen eingehend erörtert wurden, von den Referierenden "die Mutigen" genannt, ambitioniert in Richtung eines Publizistik-, Medienwissenschaften-, Journalismusstudiengangs und später, selbstverständlich, der Traum von einer Festanstellung "im Printbereich". Euphorische Naivität und verlorene Posten für mein bereits im Werden befindliches Jurastudium, mein kleines feines Blog und die Abstinenz eines Plans zur Eroberung von Gazetten mit dem eigenen gedruckten Namen.

Während viele verzweifelt ihre Fingernägel in das zerfallende Fleisch einer Illusion graben, ihren Namen würde journalistischer Wert nur beigemessen, sofern sie ihn auf Papier anfassen könnten, hauche ich mit Texten meinem Blog in unregelmäßigen Abständen neues Leben ein, hege und pflege und gieße ihn, suche nach Worten für große und kleine Geschehnisse, die ein paar Absätze verdienen. Mein Blog ist kein Karriereinstrument, ein solches müsste ich nach anderen Spielregeln bedienen, die meine Beziehung zum Internet als liebstem Spielplatz der Informationsfreiheit das Krönchen entreißen würden - dessen Möglichkeiten all diejenigen nicht verstehen, die noch nie über Vierwände hinaus vom Gartenzaun gezwitschert haben.

In der Denke selbsterklärter alter Hasen und der durchschnittlichen social-web-Hopper ist oftmals zu wenig Platz für ein Verständnis der Blogosphäre, für Leute, die wie ich unabhängige Inhalte produzieren, Blogs mit Politiken, Kultur und Lebenshäppchen füllen - Inspirationen ohne Budget, das Honorar liegt allein in guten Ergebnissen und vielleicht ein paar Klicks. Dass es bei dieser Währung für den Netzinput nicht bleiben wird, zeigen nicht die zögerlichen Paid-Content-Versuche mancher Online-Ausgabe, umso mehr die fortschreitende Vernetzung einer Gesellschaft und die Überzeugungskraft der am schnellsten verfügbaren Nachricht. Auch ohne der gedruckten Tageszeitung den Tod zu wünschen oder ihre Zukunft in den dunkelsten Farben zu zeichnen werden sich manche realitätsferne JungjournalistInnen in wenigen Jahren nach einem gutplatzierten Online-Namen genüsslich die Finger ablecken und vielleicht bis dahin das Netz zu lieben lernen. Bis dahin wird mein kleines Pflänzchen weiter wachsen, werde ich an ihm wachsen und neue Pfade beschreiten, um mit Texten eines Tages möglicherweise Kinderzimmer einzurichten.

read more: "Heuchelei und Hilfe - Sarkozys Subventionen spalten Frankreichs Online-Medien" // Süddeutsche

Dienstag, 5. Januar 2010

forget about the good old days

Während der Mann in der Küche steht und das Essen auf dem Herd mit kontrollierenden Blicken zum Garen bringt sitze ich am Laptop und blättere mich durch Twitter, Facebook, verlinkte Artikel und das Fernsehprogramm des Abends. Der Vorgang verdiente keine aus der Reihe tanzenden Aufmerksamkeitsklicks, ginge es nicht ein kleines bisschen um Gleichberechtigung im everyday life, im täglichen Essen, Schlafen, Arbeiten, Konsumieren, Nichtstun. Was ich an meiner Situation bei genauerer Betrachtung so sehr liebe ist die Fähigkeit aller Anwesenden, das Bier für einen Abend vor der Glotze eigenhändig aus dem Kühlschrank zu ziehen, sich gegenseitig zu bekochen - wer die geringste Lust dazu hat, weitere Abfallprodukte in überfüllte Tüten zu stopfen, trägt sie zur Tonne.

In Nahaufnahme geht es um eine Auffassung des Feminismus als Forderung über die Gleichberechtigung der Geschlechter, wie ihn auch die Encyclopedia Brittanica definiert(<-Mädchenmannschaft, Das Feministische Lexikon): Feminismus steht hier für

"the belief in the social, economic, and political equality of the sexes
."

Eine klare Aussage über das, was die Philosophie sein und was sie anstreben sollte, kein Blatt Papier für Vorurteile über männerhassende Monster. Es bleibt trotz dessen ein harter Job, gegen den Subtext anzukämpfen, der in stammtischartig anmutenden Diskussionsrunden diesen wichtigen Gedanken degradiert, der auch dann nicht dahinschwindet, nachdem eine Studie beweisen musste, was vielen bereits bekannt war: Dass feministisch eingestellte Frauen dem anderen Geschlecht die gebotene Offenheit und Toleranz entgegenbringen, mehr noch, dass sie den Anhängerinnen tradierter Rollenbilder in der Unverkrampftheit des Umgangs mit männlichen Subjekten in der Regel überlegen sind.

Ich lese deshalb einen Artikel der Feministin Julie Bindel beim Guardian - am vergangenen Selbermachsonntag bei der Mädchenmannschaft entdeckt - missmutig, trotzig, mit einem wütenden Funkeln. Kein aufgeklärtes Mädchen will mehr von einer Frau lesen, die sich eines gewissen Alltagssexismus nicht zu entledigen in der Lage ist, die glaubt, der Welt erklären zu müssen, dass die meisten Männer zwar womöglich triebgesteuerte Verbrecher sind, sie aber trotzdem mit ein paar für sie annehmbaren Exemplaren etwas Ähnliches wie befreundet ist. Julie Bindel hat als feministische Homosexuelle eine einseitig angreifbare Biografie, und nicht wenige konservative Männer mögen ihr erdenklich gute Gründe geliefert haben, sie zu hassen; erschwerend kommt hinzu, dass sie sich als Journalistin vornehmlich mit sexuellen Gewaltdelikten beschäftigt. Die Bitterkeit der Erlebnisse möchte ihr das aufgeklärte Mädchen nicht absprechen, ebensowenig manche überreizte Reaktion. Und trotzdem macht mich der fehlende Weitblick trotzig wie die verstohlen glitzernde Träne, die sie an ihre vergangenen, radikaleren Tage vergießt.

Ungläubigkeit angesichts in der Zwischenzeit gelöschter Kommentare an meine Schreibe, ein undurchdachter Mangel an Verständnis für die Formen eines "zu laschen Feminismus" der die "Minderwertigkeit" des männlichen Geschlechts nicht akzeptiere, Tiraden für das Matriarchat, Scheuklappen. Dahinter Frauen, die nicht zu bemerken scheinen, wie sie im Vorbeigehen angestaubtes Inventar in Eiche Rustikal aufwirbeln, die Stammtischgeschwister zu neuen Trögen lotsen. Die die Notwendigkeit kluger, weiterdenkender Männer für den Feminismus nicht begriffen oder die entspannte Leichtigkeit des Zusammenlebens mit ihnen nicht gekostet haben.

Um der Freiheit eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses gerecht zu werden, lasse ich hinterher dreckige Teller gespült im Küchenschrank verschwinden und nehme mir ein Bier mit auf die Couch. Vielleicht sollte ich Julie Bindel eine nette gemischte WG empfehlen.

[Bild]

Samstag, 2. Januar 2010

Katerfetzen


Partymüde Denkblockaden zum Start ins neue Jahr, während ein paar Fetzen Kater noch an mir kleben wage ich den ersten Gang zum Laptop in 2010. Ein Ortswechsel für die Nacht zwischen den Jahren, zu Hause ist man vielleicht doch erst dort, wo man Silvester verbracht hat. Die Spielarten des prickelnden Alkoholkonsums bleiben die gleichen, einzig ein neuer roter Taschenkalender markiert eine Art von Wechsel.

Silvester in einer Stadt, in der Neujahrsspaziergänge auf nach 22 Uhr verlegt werden, blasse Gesichter ohne Oma, Opa und Hund. Die Zeit des Zwischenzustands wird mit cineastischen Rückblenden überbrückt, Teekanne und Bettdecke, Bücherstapel und leer bleibendem Notizpapier. Während ich mich noch von den Überresten einer Nacht befreie, die in hämmerndem Kopfschmerz auf gesetzten Polstermöbeln endet, sammle ich sprunghafte Gedanken ein für meinen Januar beim Missy Blog: zweimal wöchentlich werde ich diesen Monat auch dort zu lesen sein.

Einstweilen bleibt es bei dem Versuch, mit einem ersten Glas Weißwein seit Donnerstagnacht, circa 5 Uhr morgens, die geistigen Spuren des Aufbruchs ins neue Jahrzehnt zu beseitigen, dabei wünsche ich fürs neue Jahr dem neuen Lieblingsfeind Kristina Köhler ein paar Kinder inklusive bitterfotziger Erlebnisse an den Hals und meinem Blog ein frohes Neues. Letzteren als eine der besten Neuerungen der letzten 12 Monate, neben gemeinsamem Wohnzimmer, Küche, Bad und Leben. Wer sonst noch mit mir anstoßen will, muss die nächsten Tage auf grünen Tee ausweichen.

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