Dienstag, 2. Juni 2009

balkondebatten

es war heiß heute, und ein anstrengender Tag. Einer, an dem man sich besonders freut, ihn möglichst bald und mit möglichst großem vorangegangenen Erfolg ausklingen zu lassen. Also spülen wir schnell, schmeißen dann eine Packung Fertigmaultaschen in die Pfanne um uns schließlich mit dem duftenden Feierabend auf den Balkon zu setzen. Warum auch immer wir uns dann über große Unbekannte, das Irreale zu unterhalten beginnen, fällt mir nicht mehr so genau ein. Achja, doch, Auslöser war der Atheisten-Bus, der durch die Republik tourt und Werbung für Verstand und gegen Gott macht. Ein Bus, der den Menschen bekundet, dass es Gott höchstwahrscheinlich nicht gibt.
Dieser Bus, den ich ja eigentlich im Ansatz ganz gut finde, bringt mich trotzdem zu der These, dass es ganz bestimmt viele Menschen gibt, denen man Ihren Glauben belassen sollte, um ihre Welt nicht kaputt zu machen. Wer möchte einem Sterbenden glaubhaft versichern, dass das Leben nach dem Tod, welches die einzig tröstende Aussicht für diesen Menschen ist, eben höchstwahrscheinlich eine von Menschenhand gemachte Illusion ist, um uns allen das Unfassbare erträglicher zu machen?
Mein Freund findet, dass man einem Sterbenden vielleicht keine Illusionen mehr rauben sollte, dies aber nichts daran ändert, dass es sich um ebensolche handelt. Wir beide stimmen darin überein, dass Glaube und Religion denkfaul machen, Gott eine zu einfache Erklärung ist, eine Flucht vor dem Unerklärlichen. Ich werfe ihm vor, in puncto Sterblichkeit nicht weniger denkfaul zu sein, schließlich würde man sich ohne rettende Ausfluchten selbst nicht gern mit der eigenen Vergänglichkeit beschäftigen. Woraufhin er mir erklärt, dass er sich durchaus über das absolute Ende im Klaren sei. Aha. Ich versuche, mich mit meinem persönlichen Nichts anzufreunden, harter Tobak. Auch wenn ich die Möglichkeit als äußerst gering einschätze, nach dem Hirntod etwas Höheres anzutreffen, es bleibt eine Möglichkeit. Blieb?
Wir fangen an, uns um das Individuum zu drehen. Gibt es eine Seele? Er sagt: wohl eher nicht. Faust sagt: ich will erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Ich sage: vielleicht, und betone das Vielleicht, gibt es etwas, was die Welt zusammenhält. Möglicherweise auch etwas, was das Individuum im Innersten zusammenhält und jeden Menschen zu seiner Einzigartigkeit verhilft. Der Gedanke ist gut. Oder handelt es sich hier um schlichte Selbstüberschätzung? Allein diese Fragen zu stellen, zeichnet uns aus, als Menschen, finde ich erstmal. Die Vorstellung einer Ameisenseele ist hingegen recht befremdlich. Aber warum sollte eine Ameise keinen immateriellen Kern haben, der sie zu dem macht, was sie ist, der Mensch aber schon?
Diese Überlegungen führen zu der alten Geschichte vom Menschen als Ebenbild Gottes, was ganz Besonderes. Das widerstrebt mir.
Widersprüche am Rand des Erklärbaren. Mein Freund meint, die Diskussion führe zu nichts. Ich gebe ihm Recht, wie sollte sie denn, schließlich geht es um Unfassbarkeiten. Zumindest kommen wir zu keinem Ergebnis, aber es bleibt ein... Gedankenexperiment. Spannend, irgendwie.
Ich drehe eine Zigarette, rauche schnell und denke nach. Genieße den Moment bevor ich nach Drinnen gehe, um mir Erdbeeren zum Nachtisch zu holen.

3 Kommentare:

  1. ich glaube nicht, dass man wirklich gläubige menschen durch die bus-aktion in ihrem glauben erschüttern kann. und auch nicht todkranke. auch denen kann es helfen, sich stärker auf ein gutes leben hier und jetzt zu konzentrieren. und so verstehe ich die buskampagne.
    der rest ist halt ungewiss. wir können nicht herausfinden, ob es ein zukünftiges leben nach dem irdischen tod gibt. wir können nur so handeln, dass wir das zukünftige leben dann auch in der angenehmen form erreichen. es bleibt aber die frage: nach welchen regeln sollen wir leben, um das ziel zu erreichen?

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  2. sehr interessante frage. eigentlich weiß ich nur sicher, was nicht die antwort ist: nach den geisttötenden Regeln der Kirche, welche diese auf der Grundlage eines fadenscheinigen Machtanspruchs aufbaut. Vielleicht sollten wir einfach alle so handeln, dass wir selbst im tiefsten innern mit uns zufrieden sein können. ja, das könnte funktionieren.

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  3. aber auch nicht auf der grundlage irgendeines anderen glaubens, denn letztendlich ist keiner besser begründet als der andere.
    dann kommt letztendlich der kategorische imperativ als neuer "glauben" heraus...

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