dieser Text ist zum Semesteranfang zu lesen im Reader des Arbeitskreises kritischer JuristInnen Heidelberg.
Feminismus ist zunächst ein Schlagwort. Assoziationen: 70er Jahre, Alice Schwarzer, Frauenbewegung, Männerhass und unrasierte Beine. Die vielfältigen Konnotationen des Begriffs lassen ahnen, dass sich nicht jede junge und emanzipierte Frau gern eine Feministin nennt - zu sehr ist die Bezeichnung mit Unweiblichkeit und anderen negativen Aspekten verwoben. Doch ist die Gleichheit bereits erreicht, hat sich die Bewegung also selbst abgeschafft?
Keineswegs. Die öffentliche Diskreditierung des Begriffs, nicht zuletzt durch machtvolle Publikationsunternehmen wie den Springer-Verlag und das sogenannte false feminist death syndrome (die Totsagung des Feminismus durch die Medien - v.a. im angloamerikanischen Raum, mehr dazu hier), mag einen zunächst glauben machen, dass Feminismus erstens überflüssig, zweitens gestrig und drittens unweiblich ist. Der Wunsch jedoch, als Frau einen Beruf auszuüben, mit Männern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, Familie und Karriere zu haben ist gerade im universitären Umfeld omnipräsent. Das Jurastudium als einstige Männerdomäne erscheint bei vollen Hörsäälen mit 50 Prozent weiblichem Anteil in den Bankreihen als Bild der Vergangenheit - und doch liegt der Anteil der Professorinnen an den juristischen Fakultäten bei nicht viel mehr als drei Prozent. Ebenso ist ein Großteil privatwirtschaftlicher Führungspositionen männlich besetzt, die Gleichstellung der Löhne zwischen den Geschlechtern kann bei weitem nicht als vollzogen betrachtet werden und auch im Privaten werden traditionelle Rollenbilder weiter zementiert.
Ein Alltagsbeispiel: bei der schwedischen Möbelhauskette unseres Vertrauens findet man Wickeltische auf Herrentoiletten. Man bemerkt dies anhand des Hinweisschilds mit einem erfreuten Grinsen während wenig später die Abwesenheit einer solchen Ausstattung für Väter an den meisten anderen öffentlich zugänglichen Plätzen bewusst wird (siehe hierzu die treffende Beobachtung bei der mädchenmannschaft) . Nach wie vor gilt die Frau in einer heterosexuellen Partnerschaft als maßgeblich für die Kindererziehung zuständig.
Das von Vorurteilen zerknickte Bild des Feminismus auffrischend empfiehlt sich zunächst ein Blick ins Internet. Hinter vielen Blogs stehen junge Frauen (- und Männer!), welche Politik, Kultur, Kunst, Feminismus und nicht zuletzt Mode zu gleichberechtigten Ressorts ihres Mediums machen. Schnell wird deutlich: Feminismus ist weder unsexy noch hat er auch nur entfernt mit der Ablehnung des männlichen Geschlechts zu tun.
Feministische Rechtswissenschaft
Dieser Zweig der juristischen Ausbildung, in Deutschland noch nicht in vergleichbarem Maße etabliert wie etwa in Skandinavien oder Großbritannien, beschäftigt sich mit der Frage, wie Recht auf das geschlechterspezifische Machtungleichgewicht einwirkt. Der Ausgangspunkt lässt sich dort ausmachen, wo Frauenleben durch das Recht berührt und geprägt werden; die Zielsetzung liegt darin, faktische Gleichheit durch eine gleiche Machtverteilung sowie die gleichberechtigte Teilhabe an materiellen Gütern und Zuweisung von Rechten und Pflichten - sowohl gegenüber dem Staat als auch im Privaten - zwischen den Geschlechtern zu erreichen.
Die Probleme, die hierbei in Erscheinung treten sind vielfältig und greifen durch ihre Bezüge zur Geschichte der Frauenbewegung unter anderem in Bereiche der Soziologie und Politik über.
In Bezug auf frauenfördernde gesetzliche Regelungen liegt ein vieldiskutierter Punkt im sogenannten Dilemma der Differenz. Im Kern geht es dabei um die Behandlung der Frage, inwiefern zwischen den Geschlechtern Gleichheit gegeben ist und wo bzw. in welchem Maße durch Gesetze eingegriffen werden muss, um zumindest formale Gleichheit herzustellen.
Indem eine Frau in einer bestimmten Situation durch Recht gefördert wird, in die sie aufgrund ihres Geschlechts typischerweise gerät (etwa betreffend Schwangerschaft und Mutterschutz) gelten für jede Frau. Insofern werden dadurch nicht nur diejenigen Frauen durch das Recht in Schutz genommen, die tatsächlich diese Regelungen in Anspruch nehmen, sondern durch die (kaum anders zu handhabende) Pauschalisierung durch Recht wird gleichzeitig ein mitunter einseitiges Frauenbild bei einer Vielfalt möglicher Lebensentwürfe festgelegt.
Noch deutlicher wird besagtes Dilemma bei Förderungsmaßnahmen durch Quotenregelungen. Weibliche Kritik erfahren diese häufig, da sich Frauen in eine Art Opferrolle gedrängt fühlen, d.h. der Möglichkeit beraubt werden, sich auch ohne die Festsetzung eines bestimmten Frauenanteils gegenüber der männlichen Konkurrenz durchzusetzen. Auch hier liegt die Ambivalenz darin, durch Maßnahmen, die zur Beseitigung von Ungleichheiten geschaffen wurden, diese im selben Moment zu festigen. Berücksichtigtigen sollte man dabei im letzteren Fall, dass die Quoten dazu gedacht sind, sich eines Tages selbst überflüssig zu machen - letztlich ist dies jedoch ein Argument zwischen vielen, oft kontradiktorischen Positionen.
Inwiefern sollte man Geschlechtergerechtigkeit also durch Gesetze regeln, wo sind Freiräume für mehr Eigenregie zu lassen um eventuell auch hierdurch ein Mehr an weiblicher Freiheit und Chancengleichheit zu ermöglichen? Zweifellos hat die Thematik zumindest weder an Aktualität eingebüßt, noch wäre der Bedarf einer Debatte erschöpft. Neue Impulse sind zudem willkommen in einer Phase, in der auch eine neue Generation die Maxime der Gleichberechtigung für sich entdecken, erkämpfen und definieren muss.
read more:
+false feminist death syndrome bei querelles-net.de
+feministisches institut hamburg
+tanja nitschke - recht weiblich. forum-recht-online.de
+feministische rechtswissenschaft - ein studienbuch. herausgegeben von lena foljanty und ulrike lembke, nomos verlag
// girls on web:
+mädchenmannschaft
+flannel apparel
+mädchenblog
+missy magazine
and many more.
Sonntag, 13. September 2009
3 Kommentare:
Netiquette
Welcome to my living room. Statements, Meinungen, Feedback, Anregungen, etc. gerne in dieses Feld. Dazu bitte ich dich, zwei Dinge zu beachten:
1. Um nicht grau und schemenhaft zu bleiben hinterlasse bitte einen Namen und kommentiere nicht "Anonym". Ob jemand seine Identität im Netz preisgeben will oder nicht, bleibt selbstüberlassen - es genügt dein Vor- oder Spitzname.
2. Beleidigende Kommentare und solche ohne thematischen Bezug werden gegebenenfalls gelöscht.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Die Frage ist für mich immer, von welcher Gleichheit wir sprechen: Von der Ausgangs- oder der Ergebnisgleichheit? Meiner Ansich nach haben wir Erstere bereits erreicht, Zweitere zu fordern bedingt ein geradezu marxistisches Verständnis der Gegenwart.
AntwortenLöschenMittlerweile kapriziert sich der Feminismus auf die Professorats- und Führungsposten in unseren Volkswirtschaften- das Tätigkeitsfeld des Feminismus wird also immer kleiner. Warum ist das so?
Meiner Ansicht nach ist der Feminismus zu einer akademischen Veranstaltung für AkademikerInnen geworden, der mit der Lebenswirklichkeit vieler Menschen gar nichts mehr zu tun hat: Von einer "Zementierung traditioneller Rollenbilder" kann m. E. nur noch jemand sprechen, der von der Lebenswirklichkeit bereits erwähnter Menschen keine Ahnung hat, weil er oder sie persönlich gar nie mit ihr konfrontiert worden ist (ausser in Statistiken oder Studien oder im Hörsaal irgendeiner Universität im Rahmen eines Soziologie-, Publizistik- oder Germanistikstudiums).
Der Feminismus schafft es nicht mehr, alle Menschen zu erreichen- er ist vielmehr zu einer Interessensvertretung einer akademischen Bildungselite geworden- wie ja auch sein ausgesprochen klein gewordener Wirkungskreis zeigt: Er beschränkt sich mittlerweile nur noch auf C4-Professorenstellen und Vorstände, bzw. Aufsichtsratsposten.
was mir grade eingefallen ist, bei dem text (auch wenns vielleicht nicht so gut dazupasst), ich hab einen literaturtipp für dich:
AntwortenLöschenFraser, Nancy: Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats, Suhrkamp Frankfurt/Main 2001
vielleicht kennst du es schon?
es geht jedenfalls um das problem von anerkennung (anerkennung von unterschieden, also ungleichheiten, die betont werden) und umverteilung (alle gleich machen, unterschiede eliminieren), und dieses spannungsfeld gibt es ja auch im feminismus: die einen, die männer und frauen gleich machen wollen, und die anderen, die das weibliche verherrlichen und auf unterschiede pochen.
ich finde es sehr angenehm zu lesen, gut strukturiert. nicht so wirres kompliziertes zeug deutschsprachiger autorInnen, was man sonst oft als soziologiestudentin lesen muss...
lg
julia
schau dir mal die themen und intis im girls like us an. würd dir sicher noch gefallen. lieben gruss
AntwortenLöschen