Vor kurzem schrieb ich über Alice Schwarzer, über ihre neueste Bild-Kampagne und über ihre mediale Krönung zur Chef-Feministin. Über eine Frau, die viel erreicht und nicht mehr viel zu sagen hat. Dennoch gilt sie immernoch vielen als feministische Galionsfigur. So lange sie, wenn auch nur scheinbar und für die Öffentlichkeit, die Zügel in der Hand hält, ist die Diskussion um die heutige Identität des Feminismus noch lange nicht am Ende.
Es mag einst notwendig gewesen sein, sich von Weiblichem abzugrenzen, Ellenbogen auszufahren und kratzbürstig zu sein um die einseitige Behaglichkeit patriarchalischer Verhältnisse aufzubrechen. Wie uns Frau Merkel täglich vor Augen führt zum Teil auch heute noch ein Erfolgsmodell - dabei besteht die Schnittmenge zwischen ihr und mir einzig im Geschlecht. Die Problematik liegt darin, dass auf zu vielfältigen Kanälen kommuniziert wird es gäbe nichts zwischen Angela und dem überschminkten Kätzchenklischee. Mit freundlicher Unterstützung von aliceschwarzer.de.
Der scheinbare Mangel an Alternativen schafft die Distanz zum Begriff "Feminismus" - und post-gender ist so viel einfacher. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ließ es sich Mitte diesen Monats nicht nehmen, vor Augen zu führen, wie weit wir dennoch davon entfernt sind. "Zapateros Püppchen" ist eine Aneinanderreihung von Streetstyle-Fotos in durchschnittlicher Dilettanz - im Fokus die Ministerinnen der Zapatero-Regierung. Anstelle von politischer Kompetenz werden ihre Ausschnitte hervorgehoben. Hatte die FAS noch eine Woche zuvor einen Text über weibliche Karrierechancen und Aufstiegshemmnisse veröffentlicht, druckt sie wenig später einen Journalisten, dessen Vorstellung von Brüsten vielleicht das einzig Mehrdimensionale ist, was ihn zu den Zeilen bewegte.
Während besagter Journalist, Leo Wieland, nonchalant einen scheinbar politischen Text auf die Objektsqualität der Protagonistinnen beschränkt, von der Leyen als Mutteridol zwischen Rednerpulten flaniert und Herdprämien wieder an Konjunktur gewinnen brauchen wir Feminismus, schon allein fürs Herz. Es gibt ihn, diesen neuen Feminismus, der sowohl der Verbitterung einer Emma-Redakteurin als auch der Banalität mancher Post-Gender-Thesen etwas entgegenzusetzen hat. Der eine neue Weiblichkeit prägen könnte, die stellenweise bereits gelebt aber noch zu selten mit den Anliegen der Gleichberechtigung verknüpft wird. Die Vorstellung, dass Frauen sich in Kleider zwängten und Lippenstift auflegten, um mit signalfarben untermaltem Augenaufschlag Ziele anzuvisieren, ist längst überkommen. Ebenso ihre Alternative größtmöglicher Unweiblichkeit. Es gibt tausend Wege, sich als Frau mit Mode zu beschäftigen, ohne sich dabei in die Untiefen des Instyle-Niveaus zu begeben. Oder Lippenstift zu tragen. Es fehlt nicht an grauen Grabenkämpfen, sondern an Respekt vor der Subjektivität. Und an Mut zu kommunizieren, dass noch nicht alles gut ist.
Für neue Einflüsse, Ideen und Hintergründe hierzu will ich (nochmals) eine Veranstaltung ans Herz legen:
Am 30. Oktober findet in der Berliner Kalkscheune das Barcamp Frauen statt. Der Eintritt ist frei, Vorschläge zu Workshops und Diskussionen sowie Themenwünsche können ab sofort auf der offiziellen Seite zum Barcamp eingebracht werden. Ganz im Sinne des zeitgemäßen Diskurses ist auch männliche Präsenz herzlichst erwünscht.
[Bild: Justin Waldron via itsnicethat.com]
Dienstag, 28. September 2010
4 Kommentare:
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Ich finde diesen Artikel super. Darf ich aber darauf hinweisen, dass mit Herdprämie nicht das Elterngeld, sondern das Betreungsgeld/Erziehungsgehalt/Erziehungsgeld gemeint ist?
AntwortenLöschenIch schätze mal, dass viele Frauen einfach gerne Lippenstift tragen oder sich in Kleider zwängen, weil es eine bestimmte Wirkung hat.
AntwortenLöschenWenn alle Frauen keine Stöckelschuhe mehr tragen würden, ich denke wir Männer würden damit fertig werden. Aber der Stöckelschuh macht eben das Bein optisch länger und bietet der Trägerin damit einen Vorteil. Diesen sind Frauen nicht bereit aufzugeben.
Das ist doch unfug, Männer sind weder Mittelpunkt des Universums noch Grund, warum Frau sich schick macht - ich trage Lippenstift, weil er zu meiner Haarfarbe passt und meinen Mund hervorhebt, ich zwänge mich in enge Kleider, weil ich meinen Arsch liebe und ihn gern zeige.
AntwortenLöschenDu meine Güte, und würde ich Stöckelschuhe tragen, dann sicher nicht der Größe wegen (ich bin 1,81), sondern weil sie mir gefallen.
Ich, ich, ich ziehe an, was mir, mir, mir gefällt. Wenn andere das genauso sehen - schön, wenn nicht - tja, dann lasst es halt.
Ich kann's nicht mehr hören, was wir Frauen angeblich alles tun, um euch zu beeindrucken - nichts gegen Männer, ich liebe euch, aber so schwer zu ködern, dass man sich damit extra Mühe geben müsste, seid ihr nun wirklich nicht.
Sorry, liebe stadtpiratin, ich mecker nicht mehr weiter.
Und ja, der Artikel ist gut. Irgendwie versteh ich nur nicht, was du uns im Endeffekt sagen möchtest. Dass es, egal wie frau sich anzieht, irgendwie immer gleich als Aussage gewertet wird? Oder dass wir es eh keinem recht machen können?
Ich gebe Dir, liebe Morjanne, völlig Recht. Und was ich damit sagen will ist Folgendes: Dass Feminismus nicht bedeutet, unweiblich sein zu müssen - sondern im Gegenteil. Dass alles erlaubt ist, was wir für uns tun weil es uns so gefällt. Und dass man auch als eigenständige, sich weiblich gebende Frau Feministin sein kann und sollte und nicht der Einfachheit halber oder aus Angst vor dem Klischee behauptet, das alles wäre gar nicht mehr nötig.
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