Samstag, 22. Mai 2010

like a man

An einem verregneten Heidelberger Nachmittag erzähle ich manchmal sogar Liebesgeschichten. So wie diese, deren Ausgang ungewiss bleibt, die die Frage offen lässt, ob die Selbstbestimmtheit unbequem macht. Ich neige dazu, sie manchmal begraben zu glauben, die Zeiten, in denen Männer mit wiegenden Hüften und vollen Kussmündern erobert waren, die Hüften breiter und die Bierbäuche voller wurden, im Laufe der Ehe. Im Laufe der Zeit sitzen wir heute vor Laptops, Smartphone-Screens und an Bartresen, frei, individuell, mutig und missverstehen in unserem Streben nach sozialen Sicherheiten, dass Liebe, das Wort, das mich zaudern lässt, bevor ich die Buchstaben aneinanderreihe, nicht Besitz bedeutet.

Die vier Damen aus New York, die einst antraten, der breiten Masse zwischen Cocktailgläsern, leicht und amerikanisch, die Emanzipation sexueller Beziehungen in Technicolor zu erklären, scheitern letzten Endes - bis auf wenige Ausnahmen - an widersprüchlichem Gefühl und daraus resultierenden Besitzansprüchen. Sex like a man, das episodisch proklamierte Ziel nach dem Scheitern einer weiteren vielversprechenden Bindung, zerbricht an der inneren Paradoxie, die dem weiblichen Part die Gefühle und dem männlichen die animalische Kälte zuschreibt. Trotz dessen wurde, cheers, Carrie Bradshaw vom britischen Guardian zur feministischen Ikone des letzten Jahrzehnts gekürt, der es ungeachtet der eigenen Slogans nicht gelingt, ein Dasein abseits der Torschlusspanik vorzuleben. Die Krux liegt in dem die Geschlechter stigmatisierenden Mythos, in dem Frauen ihr Herz an Männer verlieren, deren emotionales Engagement sich auf Hotel- oder Schlafzimmer beschränkt. Carrie und ihre drei Freundinnen vermitteln ein Frauenbild, das sich zwar in seiner Fortschrittlichkeit von der übrigen Serienlandschaft abhebt - und doch bleiben neunzig Prozent der Botschaft süße Nebensächlichkeit und ein zurückbleibender Hauch Unverständnis.

Von Bildschirmen losgelöst geht es nicht um Abkehr von altbewehrten monogamen Lebensformen, lediglich um Toleranz bezüglich der Schattierungen von Herzensrot, und abseits des kühlen Klischees macht ein Lied, ein Satz, ein gemeinsamer Blick ins Morgengrauen - Gefühl - den Moment zu mehr als einem Wimpernschlag zwischen Laken. Unabhängig davon, ob daraus gemeinsame Einfamilienhäuser erwachsen. Sowohl der soziale als auch der Respekt vor sich selbst werden stereotype Stammtischbilder von naiven Flittchen in die Vergessenheit befördern, die ihnen gebührt, auch wenn sich die Blicke nach dem einen Morgen nicht mehr kreuzen. Selbstbestimmtheit macht Beziehungen vielleicht unbequemer und führt mit Sicherheit Besitzansprüche ad absurdum. Die Kunst, aber vielleicht nicht das Ziel ist, dass es trotzdem funktioniert.

+ soundtrack: bonnie "prince" billy // strange form of life

Sonntag, 9. Mai 2010

Prachtburschen

Zur Zeit lebe ich an einem Schreibtisch übersäht mit Teebeuteln, Aschenbechern und vereinzelten kussroten Stielen von Cocktailkirschen zwischen dem Papier. Mich erreichen höchstens Fetzen von schwarzgelben Toden in NRW und ein Stück Polizeiruf für einen Rest Sonntagsgefühl, das Wochenende weitestgehend bedeckt, grau meliert. Gezwungen, meinem Studentinnendasein mit Bibliotheks- und Schreibtischaufenthalten Rechnung zu tragen bekomme ich bei einem Abendessen erklärt "you can work hard when you're young and play hard when you're old // or you play hard when you're young and for the rest of your life try to achieve what you could have while you where young." Eine der wenigen Lektionen eines Amerikaners in the army über die Träume der Gründerzeit, die neben dem Schwur auf die Flagge als Teil eines anerzogenen Nationalismus noch immer auf Lehrpläne gelangen.

Nach einem Tag in der Bibliothek arbeite ich, spiele ich gleichzeitig mit meinem virtuellen Kind, Amerika ohne Cocktailkirschen für Sonntagnacht.

+ to read: Fear Itself // die NY Times zu Folgen und Utopien der Beinahe-Bombe am Times Square - "...this incident as yet another excuse to weaken the rule of law and this country’s barely recovering reputation"

+ soundtrack:
Simone White // Great Imperialist State

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