Mittwoch, 3. Februar 2010

You wish, bitch.

Über "serielle Monogamie" und deren Folgen für "Koitus-Frequenzen" erzählt ein Artikel der Süddeutschen, der die Existenzängste des Beate-Uhse-Konzerns mit Bildern von Sexshops der Zukunft verknüpft. Neben Designern, die beschäftigt werden, um Sexspielzeug für Wohnzimmerregale zu gestalten verbreitet das Fazit Untergangsstimmung für die gesamte Branche: die Gesellschaft entziehe durch den wachsenden Trend zu sicheren, andauernden und gemessen an ihrer Zeitspanne enthaltsameren Beziehungen der Sexindustrie ihre Grundlage.

Vage Vermutungen, inwiefern die schwarzgezeichnete sexuelle Aktivität in abgesicherten Partnerschaftsmodellen von dem Mystizismus über Frauen, die zu Akten der Begierde gebeten werden müssen, eine einschlägige Prägung erhielt. Dass der Umgang mit weiblicher Sexualität jedoch nach wie vor in den Kinderschuhen alter Konventionen steckt, war vergangene Woche bei der Mädchenmannschaft zu lesen - wohlmeinende Ratschläge, die Mädchen vor überhasteten Erfahrungen warnen während in den Ecken des Schulhofes heranwachsende Jungen Tittenhefte tauschen, stecken ein undurchsichtiges Territorium ab, in dem offene Worte unter Freundinnen über empfundene Lust in scheuer Ignoranz verhallen. Wenn die sechzehnjährige Patrizia in der FAZ über den Sex in ihrer Fernbeziehung Dinge sagt wie "jetzt in diesem Zeitraum müssten wir dann langsam mal", um Worte für den Druck zu finden, der auf ihr lastet, so ist dieses Empfinden angesichts der gesellschaftlich gestifteten Verwirrung seltsam verständlich.

"X - Porno für Frauen", ein Buch, welches weibliche Akzente im maskulin dominierten Porno setzen und alles gelten lassen will, was Sex ausmachen kann, könnte dazu gereichen, anerzogener Prüderie und weiblicher Objektivierung erste Risse zuzufügen. Es könnte eine Anleitung sein zu mehr Fantasie und ein Lexikon, um überkommene Verschwiegenheit in Worte zu fassen - Abenteuer fernab einer Jugend, in der Jungs die Größe ihrer Schwänze und die Anzahl der Pornoclips auf ihren Computern vergleichen während Mädchen von der Bravo lernen, dass es wehtut beim ersten Mal und wie weit der Weg ist zu einem Höhepunkt. Die übermächtige Kongruenz der Realität mit Erfahrungsberichten von Dr. Sommer suggeriert, dass das Lustempfinden eines Mädchens zunächst aus tiefem Schlaf geweckt werden müsse, Schneewittchen on repeat während Malte Welding zu lebensnahen Erklärungen ansetzt:

"Jugendliche onanieren seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte wie die Wahnsinnigen. Mädchen treten in den Club der großen Wixer erst ein paar Jahre später ein (übrigens ein Grund dafür, dass das erste Mal oft für beide so unersprießlich ist – der Junge ist gewöhnt daran, so schnell wie möglich abzuspritzen, damit niemand etwas mitbekommt, das Mädchen hat noch gar keine Ahnung, wie es zum Orgasmus kommt) und haben aus verschiedenen Gründen ein eher laues Interesse an Pornographie."

Das laue Interesse wird mit vorherrschenden Bildern von Frauen, die möglichst viele Schwänze in sämtlichen Körperöffnungen auf die Leinwand und die eigenen Wünsche im Hinterkopf tragen, für manchen einfacher zu verstehen. Diese Wünsche kennenzulernen liegt in den Händen der Einzelnen - ebenso die Hoffnungsschimmer auf einen ungezwungenen gesellschaftlichen Umgang mit der Thematik. Oversexed von intermedialer Fleischbeschau weicht oberflächliche Abgeklärtheit in den Tiefen eigener Empfindungen einer Sicherheit des Schweigens. Mädchen haben Liebe zu wollen und Männer Sex, dabei wollen alle alles. Und womöglich auch noch gleichzeitig.

read more: +++ Lust für Frauen // Buchbesprechung von "X - Porno für Frauen" bei der Mädchenmannschaft +++ Autorin Erika Lust im Interview bei Blank +++ "Den Frauen Vokabeln für Sex geben" // Interview der Frankfurter Rundschau mit Benoite Groult +++

[Bild: ibaiacevedo.com]

Montag, 1. Februar 2010

Endlosschleifchen

Die sibirische Kälte in Begleitung von dichten Schneeflockenwirbeln tastet sich mit scharfer Zunge von Berlin Richtung Süden. Gefrorener Überdruss und grauer Matsch neben eisigen Bürgersteigen, die ich sitzend auf Plastiktüten zu passieren empfehle. Der Sexappeal der Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aus rosigen Wangen und ersten Spuren im Neuschnee erschöpft sich mit andauernder Unwirklichkeit auf den Straßen.

Zu bemitleiden im Angesicht tiefhängender Winterwolken sind die Mädchen der elitären Pi-Phi-Schwesternschaft an der US-Universität Cornell, die in Seidenblusen durch Schneewehen zu stolzieren versuchen - ihren Dresscode hat die Süddeutsche am vergangenen Wochenende abgedruckt. Nachdem das modische Erbe eines Freiherrn zu Guttenberg hier in Diskussionen über Stilurteile brandete, werden am Beispiel der Bleistiftröcke aus Cornell manche Hintergründe selbst- oder fremdverordneter Uniform im Detail spürbarer: es ist die abenteuerliche Mixtur aus ungehemmtem Opportunismus und tradierten Geschlechterverhältnissen, die dem Einheitskleid anhaftet. Die äußerliche Verschmelzung von Frauen mit dem Profil nice and neat, das kultivierte Korsett für nuancenreiche Weiblichkeit, wird meinen Kleiderschrank nicht streifen.

Restlichen Eisbrocken verabreiche ich ansonsten Tee und ein bisschen Nouvelle Vague - Marian in Repeat-Schleife als angemessenes Abendprogramm.

[Bild: Martin Richter // zeit.de]

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