Montag, 28. September 2009

new international music

mit müden Montagsaugen sitze ich wieder in der Bibliothek und lasse Hamburg hinter halb geschlossenen Lidern an mir vorbeiziehen. Tagsüber Cappuccino um Cappuccino geleert, durch die Straßen und Cafés gezogen um abens von Kneipe zu Kneipe ziehen zu können, quer über den Kiez, das Reeperbahnfestival 2009 hat Spuren hinterlassen.

Glücklicherweise sind es nicht lediglich Spuren der Müdigkeit, die mich das vergangene Wochenende Revue passieren lassen, sondern Menschen, Musik, Stil und Nachtkultur. Um das Erlebte in eine einigermaßen logisch nachvollziehbare Ordnung zu bringen, sollte ich wohl chronologisch vorgehen.

Donnerstag, 24. Sept., 17:30 Uhr: Ankunft in Hamburg, Hauptbahnhof. Meinen karierten Rollkoffer hinter mir her zerrend bewege ich mich Richtung U-Bahn, Gepäck bei Bekannten abstellen, keine Zeit für längere Zwischenstops, da wir nicht vorhaben, uns allzu viel des dichten Programms entgehen zu lassen. Also zurück in die U3 bis St. Pauli.

First Stop: Doktorjewski treten auf, in der Meanie Bar am Spielbudenplatz. Die kleine Kneipe packed with people, inmitten von Menschen mit Astraflaschen singt ein hellblonder Typ in ausgewaschenen Jeans über Revolutionen zwischendurch, eine Frau namens Katharina, die ihn benutzen soll, zusammen mit einem braungelockten Typen, rotzig-poppiger Deutschpunk at its best. Die Akklimatisierung funktioniert auch für mich mit einem kalten Astra in der Hand ganz wunderbar, irgendwie machen wir das ab jetzt immer so, mit dem neuen Bier kommt neue Musik. Mit ab und an leicht verwirrtem Blick den Lageplan zückend schlagen wir uns weiter durch den Kiez, sehen einen berührenden Björn Kleinhenz in der Hasenschaukel und drei schwächelnde Elfen aus New York, zusammengesetzt als Au Revoir Simone im Imperial Theater. Während die letzten nicht in der Lage sind, mich mit ihren unglaublich gewollt märchenhaften Keyboardklängen und wehenden Stimmchen zu überzeugen, bin ich hin und weg von der Musik des Schweden Kleinhenz. Er steht einfach da und singt, als würde er niemals irgendetwas anderes tun, begleitet sich selbst mit einer einfachen Akustikgitarre. Eine Frau mit kurzen weißblondierten Haaren lehnt neben mir an der Wand während ihr Tränen über die Wangen rinnen, das beste Kompliment, was dieser Mann von ihr bekommen kann. Ich stehe daneben, angerührt. Zum Schluss verpassen wir die letzte U-Bahn und begeben uns auf eine windig-kalte nächtliche Odyssee per Nachtbus und Taxi durch Hamburg.

Nach einem Tag mit Läden gucken, dem besten Apfelwalnusskuchen der Welt im Yoko Mono // Karoviertel und einigen weiteren Cappuccinos finden wir uns auch am Freitagabend am Spielbudenplatz wieder. Dort entern wir ohne große Umwege den D-Club um zu Pöbelei und Poesie die Arme in die Luft zu reißen, denn die Jungs von Auletta wollen mit uns pöbeln und machen mich tanzen zu ihrer mit rockigen Gitarrenriffs unterlegten Straßenpoesie, die Nacht nimmt einen guten Anfang. Ein paar Straßenecken weiter kehren wir in die Hasenschaukel zurück um mit Dan Costello weiterzutanzen. Der New Yorker kreuzt mit Hut und Gitarre auf, die Location ist auch heute wieder voll, immer mehr festivalstreunende Menschen drängen sich in der Tür, auch wenn man drinnen keine Gliedmaßen weiter als 2 Zentimeter vom Körper wegbekommt. Ich unterhalte mich nach dem Konzert noch mit ihm als ich zwei seiner drei Alben erstehe, ich kann any price dafür bezahlen, er will einfach nur, dass jeder seine Musik haben kann, der sie gerne möchte. Ich kann nur sagen: es lohnt sich zu wollen. Der retrogitarrige Indietanzmusiktouch tut gut, in der U-Bahn, morgens zum ersten Kaffee oder wann und wo immer, tanzen und Bier trinken dazu funktioniert ebenso.

dan costello

Der letzte Abstecher des Abends geht danach ins Knust zum abgedrehten Sound von Katzenjammer. Die vier Damen kommen dabei nicht etwa wegen ihres Namens aus Deutschland, sondern aus Norwegen und jammern nicht, sondern machen Tanzmusik vom Allerfeinsten. Dazu benutzen sie eine eigenwillige Instrumentkombination aus unter anderem Banjos und Mandolinen und fragen das Publikum, ob jemand on a date hier sei. Wer mit seinem Date nicht nur knutschen sondern rumspringen und Leben genießen will, dem seien die vier Damen wärmstens ans Herz gelegt, starke Frauen mit unglaublich gutem Sound.

Der dritte Festivalabend steht also noch aus. Der Koffeinkonsum am Tag erreicht seinen wochenendlichen Höhepunkt während der Astrakonsum im Vergleich zu den vergangenen beiden Nächten deutlich abfällt, Ermüdungserscheinungen, die sich aber in Sekunden verflüchtigen als wir uns von Orka feat. Yann Tiersen gleich zu Beginn des Abends im Übel&Gefährlich den Sound ihrer selbstgebastelten Instrumente um die Ohren dröhnen lassen. Ich brauche etwas länger als die anfänglichen Sekunden, um mich an die zunächst widerwillig als Lärm empfundene Musik zu gewöhnen (es muss ja etwas bedeuten, wenn der zu Recht gefeierte Komponist Yann Tiersen mit ihnen durch Europa tourt), bis ich beginne, die Strukturen darin zu entdecken. Nicht unbedingt empfehlenswert als Hintergrundmusik für ein gemütliches Frühstück, denn Orka sind besitzergreifend. Man sollte die Musik lautdrehen und sich flach auf den Boden legen, für andere Tätigkeiten lässt dieser Sound keinen Millimeter Platz. Ich stehe schräg rechts von der Bühne und höre ihnen zu, ohne tanzen oder nebenbei im Takt mit dem Fuß wippen zu können, Orka müssen und wollen nicht tanzbar sein, denn wenn man die erste Schreckminute überwunden hat, sind sie melodisch, tief und beeindruckend.

orka feat. yann tiersen

Zwei Singer-Songwriter-Typen begleiten uns weiter durch die Nacht: zunächst der schüchterne Ian Hooper in der Washington Bar, der jedoch sichtbar aufblüht sobald er zu singen anfängt und dabei wahnsinnig rührend ist. Wax Mannequin in der Hasenschaukel verfolge ich hingegen nur am Rande, ab und an hinhörend während mich das samtige grüne Flohmarktsofa im hinteren Bereich der Bar vollständig in Beschlag genommen hat. Obwohl sich die Musik des Kanadiers von meinem Polstermöbelplatz aus unglaublich gut, neu, interessant und sowohl leichtfüßig-poppig als auch abgründig und darin irgendwie ergreifend anhört, die weichen Sprungfedern sind stärker. Sobald aber der Auftritt der wundervollen Simone White näherrückt, scheint auch wieder ein bisschen Leben in meine asphaltgeschundenen Füße zu kommen. Trotzdem nehmen wir eines der Velotaxis zum Grünspan am Ende der Großen Freiheit, lassen uns also auf einem umgebauten Fahrrad über den voll und ganz vom Saturday Night Fever befallenen Kiez tragen. Simone White hat schon angefangen zu singen als wir die Location erreichen. Sie sitzt auf einem Hocker, nippt zwischen den Liedern an einer Wasserflasche und zerschneidet daraufhin den Raum mit ihrer glasklaren Stimme, die mich ebenso einhüllt wie eine Fleecedecke sonntagmorgens auf der Couch. Dabei singt sie von großen Gefühlen in kleinen Geschichten, unterlegt nur von ihrer Gitarre, und von Krieg und davon, dass die Amerikaner vergessen haben, wofür sie eigentlich kämpfen. Dieses Konzert ist ohne Zweifel mein mit großem Abstand nachträglich favorisiertes Erlebnis rund um die Reeperbahn, ich lasse mich auf einen Barhocker fallen und genieße.

simone white (Quelle: reeperbahnfestival.com)

Dagegen kommen hinterher auch Kante nicht an, ein paar Meter weiter in der Großen Freiheit 36. Sie klingen rockig, die Texte sind naivpoetisch, sie legen sich ordentlich ins Zeug und spielen nicht schlecht, reißen mich aber doch nicht wirklich mit - keine Ahnung, ob das an meiner Müdigkeit liegt, an ihrem nach ein paar Liedern etwas eintönigen Sound oder daran, dass ich die blonde Metalmähne des Leadsängers nicht mag, vielleicht hört mein Auge mit.

Es ist 1:25 Uhr. Kante waren die letzten, wir können uns nun dem Kiez oder unserer Müdigkeit hingeben. Wir landen auf ein letztes Bier in der 3-Zimmer-Wohnung, einer wunderbar retrogemütlichen Bar, die tatsächlich aus einer Küche, einem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer besteht, wo man im letzteren auf dem Bett liegend Playstation spielen kann. Oder eben auf dem Wohnzimmersofa gammeln. Wir entscheiden uns für die verlockende Couch und trinken ein letztes Bier dazu bevor wir die U-Bahn nehmen. 3 Tage, vollgestopft mit neuer Musik, die mich begeistert und nach mehr schreien lässt - die Veranstalter des Reeperbahnfestivals sind den Erwartungen seines Untertitels new international music mehr als gerecht geworden. Schon unterwegs habe ich massenhaft Geld ausgegeben, um meinen Hamburgsoundtrack mit nach Hause nehmen zu können, wo ich mittlerweile angekommen bin und Simone White höre und weiß, wo ich nächstes Jahr am letzten Septemberwochenende wieder sein will.

3-Zimmer-Wohnung

Nebenbei habe ich lange nicht mehr so viel Döner gegessen wie an diesem Wochenende, für mehr Abendessen blieb meistens keine Zeit. Die letzten drei Tage vor der Bundestagswahl sind zumindest politisch weitestgehend spurlos an mir vorbeigerauscht, und ich frage mich, ob es denjenigen, die noch eifrig Informationen konsumiert haben, nicht ähnlich ergangen ist. Ein Blick in die Hamburger Morgenpost im Café hat mich nicht weiter neugierig gemacht auf die immer hohler werdende Wahlkampfmakulatur. Gestern Abend wieder in Heidelberg angekommen stehe ich vor vollendeten Tigerententatsachen und wünsche der SPD eine gute Regeneration auf der Oppositionsbank. Hello again Atomkraft, not nice to meet you.

Mittwoch, 23. September 2009

who wants to be a porn queen

ich habe da so ein Programm, eins das vermutlich beinahe jeder bloggende Mensch zumindest irgendwann mal gehabt hat, eins welches meine Besucher zählt, Referrer (d.h. die Seite, von der aus jemand auf meinen Blog gestoßen ist) anzeigt und die Suchwörter bei Google auflistet, welche die NetzsurferInnen an ihren Laptos, PCs, Smartphones und ähnlichem technischem Gerät irgendwo dort draußen zu meiner Seite führen.

Wer "stadtpiratin" bei Google eingibt, sucht mich, höchstwahrscheinlich. In der Liste finden sich ansonsten Begriffe wie "Feminismus", "Feministische Rechtswissenschaft", "Jura Hausarbeit", unzählige weitere. Unter den Suchwörtern findet sich jedoch auch "Sex Mädchen", "gemeinsam wichsen Heidelberg", "Manuela Schwesig nackt", "wichsen wie oft" oder "Mädchen hat Sex mit Frau". Dank einer vorangegangenen Überschrift, "Dein Sex, Mädchen" weiß ich zumindest, wo es herkommt. Gut möglich, dass ich auch "wichsen" schon einmal ausgeschrieben benutzt habe und spätestens nach diesem Post werden die Masturbationsvorlagen googelnden BesucherInnen meiner Seite nicht weniger.

Kopfzerbrechen bereiten mir davon die Wenigsten, Verwunderung ist dabei über diejenigen, welche die SPD-Familienexpertin Manuela Schwesig offenbar nackt sehen möchten. Ekel lediglich bei dem Suchbegriff "kleine Sexmädchen".

Mir schwindelt bei der ungeheuren Zahl Menschen, die sich täglich im Internet auf die Suche nach pornographischem Material begeben. Dabei ist weder der Pornokonsum noch die schiere Masse an Konsumenten einzeln betrachtet erschreckend. Der alltägliche mediale Sexkonsum umgibt mich und packt mich sanft in Daunen, die Omnipräsenz werbewirksam platzierter sexueller Anspielungen, die vermeintliche Abgeklärtheit meiner Generation, man kann uns nichts mehr vormachen. Mein sezierendes Interesse an der erdrückenden Dunkelziffer Sexsuchender im Internet zeichnet ein anderes Bild, die KonsumentInnen sind offenbar vorhanden, still, eine gesellschaftliche Grauzone, der Datentransfer geschieht im Verborgenen.

Die Thematik streift mich täglich, oft unbemerkt, dann wieder frontal wie etwa in "Paradiso", einem Roman von Thomas Klupp, den ich gestern nacht zu lesen begonnen habe. Der Protagonist Alex will eigentlich nur per Mitfahrgelegenheit von Potsdam nach München zu seiner Freundin. Als jedoch der erwartete gelbe Passat nicht auftaucht, lässt er sich von einem alten Schulfreund mitnehmen, der ihn an einem verlassenen Standstreifen sich selbst überlässt, worin eine außergewöhnlich surreale Odyssee über Deutschlands Autobahnen ihren Anfang nimmt. Unterwegs landet Alex in der "Erothek" einer süddeutschen Autobahnraststätte, ich lese und genieße gierig die Schonungslosigkeit, die mir nur umgeben von Mauern des Selbstschutzes begegnen kann - der Fiktion.

"Die Farben auf den Schutzhüllen [der Videokassetten] sind bereits verblichen, und viele Schauspielerinnen haben Frisuren, wie es sich heutige Pornodarstellerinnen gar nicht mehr erlauben könnten. Blondierte Dauerwellen und auftoupierte Ponys, und die Männer tragen noch Schnauzbärte und Vokuhilas, und einer hat sogar einen Blaumann an und hält eine Rohrzange in der Hand, weil er der beliebteste Klemptner der gesamten Nachbarschaft ist. Im Vergleich zu den DVD-Motiven wirkt das alles so freundlich, so als wären das Pornos für Kinder und Jugendliche, also ganz naive und harmlose Pornos, als wäre der Sex und alles nur gespielt, jedenfalls nicht so klinisch glatt und brutal wie die heutigen Filme, wo den Frauen am Schluss gleich von sechs Schwänzen isn Gesicht gespritzt werden muss, damit es noch jemanden interessiert."

Wonach suchst du, nächtlicher Besucher meiner Seite, oder ist es erst Nachmittag? Sitzt du im Büro, in deiner Studentenbude, in weitläufigen Schlafgemächern oder bist du unterwegs, mit dem Smartphone in der S-Bahn auf der Suche nach sexuellen Anregungen für einen einsamen Abend? Sucht ihr vielleicht gemeinsam und warum, aus welchen Beweggründen sucht ihr womöglich nach klinischer Brutalität?

Im Oktober 2007 schreibt Alexander Marguier in der FAZ über den alarmierend ansteigenden Konsum von Gewaltpornographie und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Alice Schwarzer als Herausgeberin der Emma, die sich ebenfalls einige Monate zuvor mit der Thematik beschäftigt hat, kommt im Netz seiner Zeilen nicht gut weg. An mancher Stelle komme ich nicht umhin, ihm zuzunicken, denn in der Emma finde ich folgende Definition von Pornografie: "... ist die Verknüpfung in Text oder Bild von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt (Es geht also bei der Kritik an Pornografie nicht um Kritik an Nacktheit, Erotik oder Sexualtität)."

Auch wenn hier also nicht mit dem Vorschlaghammer die Erotik zetrümmert wird bleibt für mich im Dunkeln, warum andererseits pauschalisierend jegliches pornographisches Material aus feministischer Sicht verwerflich sein soll. Wenn auch möglicherweise nicht in vergleichbarem Maße, so gibt es doch auch Konsumentinnen von Pornographie. Wird mit der Sichtweise der Emma nicht ungenutztes weibliches Potential sexuellen Lustempfindens bereits im Vorhinein verteufelt und damit einer von Männern sowohl auf Seiten der Konsumenten als auch in der Produktion dominierten Branche jegliche Möglichkeit der weiblichen Einflussnahme entzogen?

Zugegeben, die Beschäftigung mit dem Thema Pornographie bewegt sich stets auf einem schmalen Grat zwischen sexueller Toleranz und deren von Nacktheit und Lust verschleierten Schattenseiten - vornehmlich extreme Brutalität und die Reduktion der Weiblichkeit, deren trauriges Resultat das Objekt ist. Ich will nicht über gesellschaftliche Auswirkungen von Pornographie spekulieren, wie es 2007 der Stern getan hat. Fakt ist zumindest, dass die Herstellung und Verbreitung von pornographischem Material, welches Gewalttätigkeiten zeigt, in Deutschland gemäß § 184a Strafgesetzbuch verboten ist. Hier gehen jedoch, wie die Strafrechtsprofessorin Tatjana Hörnle in der FAZ zu Protokoll gibt, Gesetz und Realität unter Umständen auseinander.

Mich interessiert zunächst, was die Menschen vor ihren Bildschirmen berührt, worüber sie nachdenken und warum sie sexuelle Gewalt konsumieren, denn ohne etwa sadomasochistische Neigungen undifferenziert aburteilen zu wollen gehe ich davon aus, dass die Mehrheit der Deutschen von anderen Dingen träumt als von Schlägen und ähnlichen sexuellen Liebenswürdigkeiten. Zudem hat die Gewalt in Pornos nicht unbedingt einen ästhetischen Aspekt - ob man gewisse Vorlieben teilt oder nicht, woher kommt der klammheimliche, fast stumme, im Verzehrverhalten dagegen lautstarke, räumlich greifbare Schrei nach mehr? Und wenn ein Mehr an Gewalt die Erniedrigung der Weiblichkeit weiter vorantreibt, den Blütenblättern ihre letze Kraft raubt bis nurnoch der verdorrte Stamm übrigbleibt, wie hat eine Frau diesem zu begegnen ohne die eigene sexuelle Freiheit zu beschränken?

Die dünne Eisdecke der aufgeklärten Toleranz ist brüchig, die Risse werden tiefer je weiter sich die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse mit Gewalt verselbstständigt. Kein einziges bedeutendes Tabu ist gebrochen, so lange man sich wenn überhaupt mit verschämtem Grinsen versteckt in Nebensätzen über Youporn unterhält, ohne persönlichen Bezug, man hat davon gehört so wie man immer alles irgendwo hört, niemand hat jemals irgendetwas mit eigenen Augen angestarrt. Und womöglich dabei etwas wie Lust empfunden.

Freitag, 18. September 2009

mit suchendem blick

Gestern Abend, nach einem weiteren Tag des Hausarbeitschreibens habe ich die angeforderten Briefwahlunterlagen in der Post vorgefunden. Ich werde am Wahlsonntag zu spät aus Hamburg zurückkehren, Ankunft nach 18 Uhr in meinem Wahlkreis Heidelberg/Weinheim. Um halb neun werde ich zurück sein, mit neuen Klängen, Bands, Locations und sonstigen Eindrücken vom Reeperbahnfestival. Und trotzdem bei Betreten des WG-Wohnzimmers Fernseher und Laptop zur Rate ziehen um die aktuellen Hochrechnungen, nicht aber die Zukunft unseres Landes zu begutachten.Informiert zu sein ist ein hartes Stück Arbeit, ich lese Zeitungs- und Webartikel, diskutiere, schreibe, sehe politsch fern, halte sogar bei Maybrit Illner und Anne Will wie sonst selten bis zum Ende der Sendung durch, quäle mich durch ein in 90 Minuten mäßig informatives TV-Duell und bin an keiner parteispezifischen Front begeistert, bisher vermochte kein Wahlprogramm meinen suchenden Blick an sich zu binden, meine Augen rutschen bisweilen ab an der glatten asphaltgrauen Oberfläche. Informierte WählerInnen brauchen, wie ich eigens und erneut festgestellt habe, zunächst mal eines: Ausdauer - besonders in einem Wahlkampf nach vier Jahren Politik zum Minimalkonsens. Hoffnungen habe ich in diese Schlacht mit stumpfen Waffen trotzdem investiert, nicht zuletzt solche voyeuristischer Natur. Ein handfester Skandal hätte mir vielleicht die Entscheidung mittels zwei Kreuzen auf dem Stimmzettel maßgeblich erleichtern können oder vielleicht eine bisher geheimgehaltene Sponti-Vergangenheit von FWS. Wenig ist passiert, das bürohengstige Image des SPD-Kanzlerkandidaten ist beim neunzigminütigen Duettmarathon vergangenen Sonntag möglicherweise durch ein leicht angestrengtes Macher-Lächeln ein wenig vermenschlicht worden, politisch hielt man den Ball vorsichtshalber flach.

Ich hätte gerne irgendetwas revolutionäres angefangen mit meiner ersten Stimme zur Bundestagswahl, aber mir fehlt es hierfür entweder an Idealismus oder an Alternativen. Die Piraten hätten noch vor einigen Monaten zumindest Potential gehabt, zu einer ernsthaften Wahlalternative zu avancieren. Neue Denkstrukturen für Netz und Urheberrecht, ein Kampf für mehr Datenschutz - gegen den gläsernen Bürger und für einen transparenten Staat. Zur Bundestagswahl hatte ich jedoch ernsthafte Alternativen im Bereich zahlreicher nicht zwingend netzbezogener Themen erwartet - vergeblich. Ohne außer Acht zu lassen, dass es sich um eine sehr junge Partei handelt, müsste sie um meine Stimme zu ergattern zu einem breiteren Themenspektrum Stellung beziehen - nicht zuletzt in puncto Frauenpolitik, Antidiskriminierungsmaßnahmen und Familienpolitik. Latest results: eine hitzige Debatte in der politischen Blogosphäre über die Frauenpolitk der Piraten inlusive niveauloser, teils frauenverachtender Kommentare und weiter ohne Stellungnahme der Partei, vielleicht, weil man dort gar nicht will. Eine gute Zusammenfassung liefert hier der Genderblog. Weiter ein umstrittenes Interview des Piraten-Vize mit einem Nazischmierenblatt, der "Jungen Freiheit". Andreas Popp will gar nicht gewusst haben, um was für eine Zeitung es sich hier handelt und die Zeit fragt zu Recht: "Fehlt der Piratenpartei die Offline-Kompetenz?"

Nicht nur die Piratenpartei hat meine Erwartungen bezüglich Frauenpolitik unterboten im Regen stehen lassen. Von der CDU und deren auf höchste Geschlechtsneutralität bedachten Kanzlerin war schon vorher nichts außerordentlich emanzipatorisches zu holen, aber auch die SPD brachte mit der jungen Familienpolitikerin Manuela Schwesig keinen nennenswerten Gegenvorschlag an die Wahlkampfstartlinie (siehe meinen Beitrag zur Kinderministerin). Die Grünen finden, dass Frauen nach oben gehören, kein schlechter Ansatz eigentlich, jedoch wäre hier ein informativer Diskurs von Nutzen gewesen. Wo ist eigentlich oben, wie genau sollen Frauen dorthin und welche Grundlagen sind dafür zunächst einmal "unten" zu schaffen? Auch wenn ich nicht wie Antje Schrupp der Ansicht bin, dass es sich hier um eine absurde Forderung handelt, ist für mich vordergründig wichtig, dass Gleichberechtigung in allen gesellschaftlichen wie privaten oder beruflichen Höhen stattfinden muss. Die Thematik gesellschaftlicher Schichten, die soziale Gleichberechtigung zwischen arm und reich, Chefetagen vs. Hartz IV - das alles steht wiederum auf einem anderen, nicht weniger bedeutenden Stück Papier.

(Bild: grüne.de)

Insgesamt ist der Wahlkampf wenig weiblich, wie auch Tessa von flannel apparel festgestellt hat, zudem hart, grau und undurchdringlich; eine Frau zu sein, fernab von Gebährfähigkeit und Sex, dringt nicht an die politische Oberfläche.

Laut Wahl-O-Mat soll ich die Linke wählen, höchste Übereinstimmung nach meiner persönlichen Themengewichtung. Wie wählbar aber ist diese Partei? Und wie regierungsfähig? Die SED-Vergangenheit vieler Parteifunktionäre bereitet mir ebenso Kopfzerbrechen wie die Schwarzweißperspektive vieler Forderungen der Partei. 10 Euro Mindestlohn, Reichtum besteuern und am besten sofort aus der Nato austreten. Das klingt alles ganz nett, und ist damit doch nur die kleine Schwester von, genau. Obwohl auch ich die Entwicklung unserer einstigen Verteidigungsarmee in Afghanistan mit zwei kritischen Augen anglotze und soziale Gerechtigkeit gerade jetzt für eines der wichtigsten Themen halte, die es sowohl im Niedriglohnsektor als auch bei Kinderarmut und steigender Arbeitslosigkeit neu zu denken gilt, halte ich die nur auf dem Wahlkampfpapier einfachen Standpunkte der Linkspartei für größtenteils unrealistisch - da wirkt beispielsweise die Kampagne der Grünen, der sogenannte Green New Deal durchdachter. Vielleicht kann die Linke zunächst ihre Regierungskompetenz in Thüringen unter Beweis stellen, doch auch hier ergeben sich Anlaufschwierigkeiten (-> der Freitag über den Verzicht von Bodo Ramelow und die Reaktionen innerhalb der Partei).

So erschöpft sich eine meiner besten Wahlkampferfahrungen 2009 in einem Plakat, dass den heutigen Besuch von Frau Merkel in Hamburg ankündigt:

(Bild via spreeblick.com)

Yeaahh. Intonation: trocken, bissig, ironisch. So enthusiastisch wie meine Stimmabgabe.

Montag, 14. September 2009

sofort knutschen

Mitte September. Nieselregen bei 18°C Außentemperatur, schon wieder finde ich mich teetrinkend auf der Couch wieder; grünen diesmal, nachdem ich es nach monatelangem auf meiner imaginären to-do-liste Herumdümpeln heute nach geringfügigem Voranbringen meiner Strafrechtshausarbeit endlich auf die Reihe gekriegt habe, im Supermarkt ein paar Teefilter zu erstehen. Alltäglicher Lebensmitteleinkauf in Heidelberg Mitte, Ort des Geschehens.

16:30 Uhr, erste VertreterInnen der arbeitenden Bevölkerung drängeln gepflegt zwischen den Regalen um sich heute Abend was hübsches zu zaubern, an der Kasse setzt feierabendliche Schlangenbildung ein. Meine eigenen Köstlich- und Nützlichkeiten für den Montag und hoffentlich auch ein paar Tage länger zusammengerafft reihe ich mich ein und überfliege beim Warten die aktuellen Zeitschriftencover. Das Knutschbild der Neon erlangt als erster Titel meine mit Krawatten und Einkaufswägen geteilte Aufmerksamkeit, vielleicht hätte ich in den Moment nutzen, den Blick abwenden sollen. Meine Neugier war schneller, musste ich mich schließlich zunächst fragen, ob die genießend gesenkten Augenlider nun die Story einer neuen sexuellen Revolution oder Liebe, Sex und Zärtlichkeit frei nach Bravo-Facon ankündigen. Bei näherem Hinsehen also: "Sofort verlieben! Warum wir der »Liebe auf den ersten Blick« vertrauen können - und wo man sie findet".

Dazu fällt mir erstmal nicht viel ein. Und als nächstes nach Wenig, dass ich noch nie so glücklich war, die kurze Liason mit dem selbsterklärten Generationsversteher im Magazinformat bereits vor zwei Monaten einseitig aufgekündigt zu haben. Vermutlich wäre es direkt nach der Ankunft im Briefkasten aufgrund seiner neonbunten Lächerlichkeit ohne größere Umwege in die Papiertonne befördert worden, freigegeben für das anschließende Recycling.

Schon vor einiger Zeit habe ich mich mit dem - ungeliebten - Stichwort "Generation Neon" auseinandergesetzt, die dort attestierte Entwicklung des Blattes zu einer Art Bravo für Mittzwanziger mit deplatzierter Ratgeber-Attitüde will man in München nicht mehr aufhalten. Entweder es funktioniert, oder die Kohle ist alle. Neben der neuen Gefühlsheadline vermögen auch die anderen Cover-Artikel nicht zu überzeugen: der Tränenfaktor wird erneut plattitüdenhaft abgedeckt dank der Mein-Partner-ist-tot-Story, ein paar Inhalte aus der Mikrowelle ("Schlacht im Meer - Wie militante Tierschützer versuchen, das Millionengeschäft der Walfänger zu stören") haben es daneben auch noch auf den Titel geschafft.

Auch der Magazintext heiligt nicht das flache Cover. Ein paar Wissenschaftler, die erklären, dass man sich tatsächlich auf den ersten Blick verlieben kann. Ob Gruner&Jahr nun endgültig das Geld für Qualitätsjournalismus ausgeht oder ob ich ein weiteres Resultat eines lieblos zusammengezimmerten Generationsabbilds in Händen halte frage ich mich mehr, als mich der eigene Hormonhaushalt derzeit beschäftigt. Die Liebe entmystifizieren, das haben die Druckerzeugnisse meiner Teenagerzeit auch schon versucht.

Sie liegt also wie jeden Monat neu in der Zeitschriftenauslage, die Generation Neon, und wirbt mit Gefühlen und Geknutsche um Käufer innerhalb ihrer nach eigenen Angaben breiten Zielgruppe. Selbige umfasst bekanntlich meine Generation in allen altersmäßig vorhandenen Ausprägungen, von -Teen bis Mitte dreißig. Schon allein der Anspruch, ein Magazin für eine ganze Generation herausgeben zu wollen beinhaltet die Durchschnittlichkeit im Nebensatz. Diesen Monat gibt es dafür eine im Vorbeigehen hingeknutschte Liebesgeschichte.

bild: neon.de

Sonntag, 13. September 2009

frau im recht

dieser Text ist zum Semesteranfang zu lesen im Reader des Arbeitskreises kritischer JuristInnen Heidelberg.

Feminismus ist zunächst ein Schlagwort. Assoziationen: 70er Jahre, Alice Schwarzer, Frauenbewegung, Männerhass und unrasierte Beine. Die vielfältigen Konnotationen des Begriffs lassen ahnen, dass sich nicht jede junge und emanzipierte Frau gern eine Feministin nennt - zu sehr ist die Bezeichnung mit Unweiblichkeit und anderen negativen Aspekten verwoben. Doch ist die Gleichheit bereits erreicht, hat sich die Bewegung also selbst abgeschafft?

Keineswegs. Die öffentliche Diskreditierung des Begriffs, nicht zuletzt durch machtvolle Publikationsunternehmen wie den Springer-Verlag und das sogenannte false feminist death syndrome (die Totsagung des Feminismus durch die Medien - v.a. im angloamerikanischen Raum, mehr dazu hier), mag einen zunächst glauben machen, dass Feminismus erstens überflüssig, zweitens gestrig und drittens unweiblich ist. Der Wunsch jedoch, als Frau einen Beruf auszuüben, mit Männern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, Familie und Karriere zu haben ist gerade im universitären Umfeld omnipräsent. Das Jurastudium als einstige Männerdomäne erscheint bei vollen Hörsäälen mit 50 Prozent weiblichem Anteil in den Bankreihen als Bild der Vergangenheit - und doch liegt der Anteil der Professorinnen an den juristischen Fakultäten bei nicht viel mehr als drei Prozent. Ebenso ist ein Großteil privatwirtschaftlicher Führungspositionen männlich besetzt, die Gleichstellung der Löhne zwischen den Geschlechtern kann bei weitem nicht als vollzogen betrachtet werden und auch im Privaten werden traditionelle Rollenbilder weiter zementiert.

Ein Alltagsbeispiel: bei der schwedischen Möbelhauskette unseres Vertrauens findet man Wickeltische auf Herrentoiletten. Man bemerkt dies anhand des Hinweisschilds mit einem erfreuten Grinsen während wenig später die Abwesenheit einer solchen Ausstattung für Väter an den meisten anderen öffentlich zugänglichen Plätzen bewusst wird (siehe hierzu die treffende Beobachtung bei der mädchenmannschaft) . Nach wie vor gilt die Frau in einer heterosexuellen Partnerschaft als maßgeblich für die Kindererziehung zuständig.

Das von Vorurteilen zerknickte Bild des Feminismus auffrischend empfiehlt sich zunächst ein Blick ins Internet. Hinter vielen Blogs stehen junge Frauen (- und Männer!), welche Politik, Kultur, Kunst, Feminismus und nicht zuletzt Mode zu gleichberechtigten Ressorts ihres Mediums machen. Schnell wird deutlich: Feminismus ist weder unsexy noch hat er auch nur entfernt mit der Ablehnung des männlichen Geschlechts zu tun.

Feministische Rechtswissenschaft

Dieser Zweig der juristischen Ausbildung, in Deutschland noch nicht in vergleichbarem Maße etabliert wie etwa in Skandinavien oder Großbritannien, beschäftigt sich mit der Frage, wie Recht auf das geschlechterspezifische Machtungleichgewicht einwirkt. Der Ausgangspunkt lässt sich dort ausmachen, wo Frauenleben durch das Recht berührt und geprägt werden; die Zielsetzung liegt darin, faktische Gleichheit durch eine gleiche Machtverteilung sowie die gleichberechtigte Teilhabe an materiellen Gütern und Zuweisung von Rechten und Pflichten - sowohl gegenüber dem Staat als auch im Privaten - zwischen den Geschlechtern zu erreichen.
Die Probleme, die hierbei in Erscheinung treten sind vielfältig und greifen durch ihre Bezüge zur Geschichte der Frauenbewegung unter anderem in Bereiche der Soziologie und Politik über.

In Bezug auf frauenfördernde gesetzliche Regelungen liegt ein vieldiskutierter Punkt im sogenannten Dilemma der Differenz. Im Kern geht es dabei um die Behandlung der Frage, inwiefern zwischen den Geschlechtern Gleichheit gegeben ist und wo bzw. in welchem Maße durch Gesetze eingegriffen werden muss, um zumindest formale Gleichheit herzustellen.

Indem eine Frau in einer bestimmten Situation durch Recht gefördert wird, in die sie aufgrund ihres Geschlechts typischerweise gerät (etwa betreffend Schwangerschaft und Mutterschutz) gelten für jede Frau. Insofern werden dadurch nicht nur diejenigen Frauen durch das Recht in Schutz genommen, die tatsächlich diese Regelungen in Anspruch nehmen, sondern durch die (kaum anders zu handhabende) Pauschalisierung durch Recht wird gleichzeitig ein mitunter einseitiges Frauenbild bei einer Vielfalt möglicher Lebensentwürfe festgelegt.

Noch deutlicher wird besagtes Dilemma bei Förderungsmaßnahmen durch Quotenregelungen. Weibliche Kritik erfahren diese häufig, da sich Frauen in eine Art Opferrolle gedrängt fühlen, d.h. der Möglichkeit beraubt werden, sich auch ohne die Festsetzung eines bestimmten Frauenanteils gegenüber der männlichen Konkurrenz durchzusetzen. Auch hier liegt die Ambivalenz darin, durch Maßnahmen, die zur Beseitigung von Ungleichheiten geschaffen wurden, diese im selben Moment zu festigen. Berücksichtigtigen sollte man dabei im letzteren Fall, dass die Quoten dazu gedacht sind, sich eines Tages selbst überflüssig zu machen - letztlich ist dies jedoch ein Argument zwischen vielen, oft kontradiktorischen Positionen.

Inwiefern sollte man Geschlechtergerechtigkeit also durch Gesetze regeln, wo sind Freiräume für mehr Eigenregie zu lassen um eventuell auch hierdurch ein Mehr an weiblicher Freiheit und Chancengleichheit zu ermöglichen? Zweifellos hat die Thematik zumindest weder an Aktualität eingebüßt, noch wäre der Bedarf einer Debatte erschöpft. Neue Impulse sind zudem willkommen in einer Phase, in der auch eine neue Generation die Maxime der Gleichberechtigung für sich entdecken, erkämpfen und definieren muss.

read more:
+false feminist death syndrome bei querelles-net.de
+feministisches institut hamburg
+tanja nitschke - recht weiblich. forum-recht-online.de
+feministische rechtswissenschaft - ein studienbuch. herausgegeben von lena foljanty und ulrike lembke, nomos verlag

// girls on web:
+mädchenmannschaft
+flannel apparel
+mädchenblog
+missy magazine
and many more.

Samstag, 12. September 2009

lila, der letzte versuch

wie Vanessa von panda fuck bereits im Juli festgestellt hat, haben wir jedes Jahr im Herbst ein altbekanntes Burgunderproblem. Wie in letzter Zeit häufiger mit einem lachenden und einem krebsbefallenen Auge festgestellt, beschränkt sich das Phänomen in diesem Jahr jedoch nicht lediglich auf Textilhersteller für die Großelterngeneration, sondern auch mir möchten der frontlineshop, Marc O'Polo und ungezählte andere Designer und Klamottenverkäufer auch in dieser Herbst-Winter-Saison - für mich genauso wenig erklärlich wie burgunder - weiterhin lila, brombeer, himbeer, aubergine und ähnliche Rohkost als Trendfarben verkaufen.


Getarnt mit neuem Namen - statt längst sattgesehen lila oder im besagten Burgunderton verkauft sich die selbe Couleur nun unter der Rubrik "berry tones" - scheinen einige Boutiquen und Onlineshops nun die Lagerbestände des letzten Jahres als vermeintlich heißen, tatsächlich lauwarmen Trend an den Mann bzw. die Frau bringen zu wollen.

Mitte letzten Jahres noch mit einiger Begeisterung lila Stöffchen und Accessoires geshoppt stehe ich nun selbst abgekühlt in der Auslage, unlustig mein Auge erneut mit lila zu überreizen. Die vielen satten Violetttöne des letzten Jahres waren zunächst gewagt, schnell üblich und irgendwann abgehakt, es will ja schließlich niemand jahrelang Flieder und Co. tragen - zuviel der beerigen Optik, ebenso wie man auf eine orangefarbene Tapete nach einer gewissen Zeit keine Lust mehr hat.

Ich finde, es ist auch bei frontline langsam Zeit für einen Tapetenwechsel, we are kind of over it.

Bild: fashion-era.com

Mittwoch, 9. September 2009

zu hause // retrospektiv

Lange nicht gesehen. Es fühlt sich gut an, hier oder dort und abhängig vom Ort des Geschehens bleibt die Wiedersehensfreude oder ein fader Nachgeschmack am Gaumen kleben. Manchmal schmeckt es nach Milchschaum, sonnengelb süß prickelndem Maracujaschorle und guten alten Zeiten, manchmal grau und zäh, wie zu spät entfernter Kaugummi.

Vor einem Jahr ziemlich exakt bin ich ausgezogen, studieren und mir einen neuen Flecken auf der Landkarte zu Eigen zu machen. Die spärlichen Besuchswochenenden in der in den letzten zwölf Monaten mit Essen und zwischenzeitlicher Okkupation der heimischen Polstermöbel verbracht bin ich gestern zurückgekehrt, wenn auch nur für ein paar Tage.

Der Ortswechsel ist vollzogen. Auch die letzten meiner einstigen Banknachbarn haben es mir inzwischen gleichgetan, in der alten Heimatstadt die Segel zu streichen um irgendwohin aufzubrechen und die postabiturielle Zukunft zum Jetzt zu machen. Es gibt Cafés hier, in denen wir vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam in den Tag gelebt haben, ein Nachtasyl, wo man an jedem Abend der Woche mindestens eine Hand voll bekannter Gesichter antraf und Nächte in Stuttgart, nach denen wir uns mit dem letzten Döner abgefrühstückt betrunken im Nachtbus auf der Heimreise wiederfanden. Gestern: den Tag in Stuttgart verbracht sowie den Abend in einem der Wohnzimmer meiner Schulzeit mit einer alten Freundin, die ich aus Grundschultagen kenne. Ein wunderbarer Tag, das Gefühl der Durchreise bleibt.
Die alten Wohnzimmer haben entweder neue oder gar keine Bewohner gefunden, man muss sich verabreden, im Zweifelsfall bis Weihnachten, da werden sich wohl auch innerhalb der nächsten zehn Jahre noch alte Freunde am warmen Herd der Eltern versammeln.

Nicht ohne ein selbstironisches Grinsen rekapituliere ich erste nächtliche Ausflüge in die Metropole nebenan, wir waren 14 und legten uns ordentlich ins Zeug um unserer Jugend einen angesagten nachtkulturellen Anstrich zu verpassen, auch wenn wir uns nach einigen Türsteher-Absagen letzten Endes auf einer nicht besonders ruhmreichen u18-Party wiederfanden. Oder in den Clubs noch keiner tanzte, weil wir die letzte Bahn zurück kriegen mussten. Zur selben Zeit: Shoppingausflüge zu H&M in den Nachmittagsstunden, als die Stadt unserer Kindheit noch nicht mit einer eigenen Filiale aufwarten konnte, mit nach stundenlanger Überzeugungsarbeit aus der elterlichen Rippe geleierten Fünfzig Mark in der Tasche.

Aktuell: Neunzehn Jahre Lebenszeit. Gestern Abend habe ich mich über Hunde und menschlichen Nachwuchs unterhalten. Zu früh, noch, aber nach der Schule scheint alles möglich, auch dies belegen Beispiele meines weiteren Schülerinnenumfelds.

An dem Ort, an dem wir uns bis in die frühen Morgenstunden zu Elektro und Indiemusik mit Bier in Bügelflaschen betranken trifft man nun ab und an die Kumpanen meines jüngeren Bruders oder niemanden. Das selbe Schicksal wie das des Ortswechsels scheint auch den Generationswechsel ereilt zu haben - abgeschlossen, der Zusammenhang ist naheliegend.

Durch fünfzehn Minuten Fahrt mit der S-Bahn von der dahinsiechenden Erinnerung getrennt: Stuttgart. Von jeher kein Ort, den man besucht, um innerhalb weniger Kilometer mehreren bekannten Gesichtern über den Weg zu laufen hat sich mein Konsum dieser Stadt über die Jahre verändert, wo die Möglichkeiten meiner deutlich kleineren Heimatstadt sind in diesem Punkt an ihre infrastrukturellen Grenzen stoßen.

Mit 15 war Stuttgart dank Starbucks, H&M und einer Buchhandlung von annehmbarer Größe mein Paradies und Taschengeldgrab. Die Buchhandlung ist geblieben, die anderen beiden sind nun auch nach nebenan übergesiedelt. NewYorker und Pimkie sind auf meiner ShopsILike-Liste anderen, innovativeren, nicht zuletzt reiferen Textilherstellern gewichen, in der Zwischenzeit wurde auch die Café- und Kneipenkultur erfolgreicher durchleuchtet. Das alles, um im Laufe des Wochenendes den Zug nach Heidelberg zu nehmen, Rückkehr: unbekannt. Weihnachten, spätestens.

boots revival

Kleidungsstück der Woche: my good old classy Doc Martens. Durch die Bilder der aktuellen Herbstkollektion von Comptoir des Cotonniers auf eine Idee gebracht, habe ich meine alten, über die Jahre eingestaubten Boots vom Dachboden geholt. Mit 15 in einem durch Punkoutfit zur Schau getragenen Protestauswuchs erstanden, habe ich sie damals ein klein wenig zerstört, um sie möglichst schnell besonders abgenutzt und statusgerecht aussehen zu lassen. Die Macken meiner Punkphase mit einer ordentlichen Portion Schuhcreme beseitigt und mit neuen Schnürsenkeln versehen glänzen sie bereits wieder ein wenig.
Bei Comptoir des Cotonniers wird dieser Schuhklotz mit leichten Stoffen und romantischen Schnitten kombiniert - mit einiger Überzeugungsfähigkeit, ich habe mich bereits zurückverliebt.

Bild: drmartens.com

Montag, 7. September 2009

demokratiegezeiten

Bevor ich mich heute erneut auf den Weg Richtung Stuttgart mache, um in ein paar Tagen alte Freunde zu treffen, Abende mit ein paar Gläsern Wein auf der Terasse zu verbringen und in Ruhe an ein paar Artikeln zu arbeiten, habe ich noch von einem Textwerk zu schreiben: "Die Republik vor Gericht // 1954-1974" mit dem vielversprechenden Untertitel "Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts". Diese in eine Chronik politischer Justiz gefassten Erinnerungen des besagten Anwalts, der Jurist und Schriftsteller Heinrich Hannover, habe ich im Urlaub zu lesen begonnen. Mein Vater hatte es mir gegeben bevor wir vor ein paar Wochen nach Frankreich gefahren sind, es würde mich sicher interessieren, nicht zuletzt als Jurastudentin. Nun denn.
Mit von Sonnencreme festgeklebten Sandkörnern an den Fingerkuppen durchblättere ich die ersten Seiten und lese mich schnell fest. Hannovers Kindheit während der Nazizeitund seine erzieherische Prägung durch ein konservativ-großbürgerliches Elternhaus lehrten ihn früh, den Kommunismus stets als angsteinflößendes Feindbild vor Augen zu halten. Damals konnte er nicht wissen, dass er zu einem späteren Zeitpunkt - während der Kommunistenverfolgung unter dem "Wegbereiter der Demokratie" Konrad Adenauer - einst Kommunisten und Anhänger der Friedensbewegung vor Gericht verteidigen würde.

Das Buch ist hochgradig kritisch und liest sich nichtsdestotrotz durch den trockenen Humor und die sezierende Sprache Hannovers erfrischend und regt dazu an, die Geschichte unserer Demokratie aus anderer Sicht zu betrachten. Der oft einseitige, im Geschichtsunterricht vermittelte Standpunkt war vor ein paar Jahren nicht in der Lage, mein politisches Verständnis zu fördern, sodass ein älterer Herr mit wachem Geist benötigt wurde, um mein kritisches historisches Bewusstsein nachträglich anzuregen. Am Strand, mit kühlem Seewind zwischen den Seiten, habe ich schockiert über den prekären Zustand der Meinungsfreiheit für Kommunisten während des kalten Krieges gelesen. KPD-Verbot und die Ignoranz Adenauers bezüglich der sowjetischen Note von 1952, die möglicherweise bereits damals die Einheit Deutschlands mit der einzigen Bedingung ermöglicht hätte, dass Deutschland militärische Neutralität bewahrt. Umso streitbarer erscheint Adenauers Remilitarisierungspolitik, durch die er klar gegen die Sowjetmacht Stellung bezog und wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg erneut einen (nicht zuletzt selbstverschuldeten) Krieg auf deutschem Boden riskierte. Anhänger der Friedensbewegung wurden als Kommunisten diffamiert und abgeurteilt, um deren sinnvolle und für einen demokratischen und menschenwürdigen Staat dringend notwendige Aufklärungsarbeit zu behindern.

Hannover beschreibt die eigenen Erfahrungen als Verteidiger in den damaligen Prozessen politischer Justiz, beginnend 1954, um in diesem Band mit dem Kapitel über die Verteidigung Ulrike Meinhofs bis 1974 zu schließen. Nicht nur bezüglich des Kommunismus in der BRD hat sich deren Justiz im Laufe der Zeit einige traurige Denkmäler der geistigen Enge und politischen Unfreiheit geschaffen. In einem weiteren Band, der bis jetzt ungelesen an der Bettkante liegt, führt Heinrich Hannover die Chronik seiner unbequemen Verteidigung bis ins Jahr 1995 fort. Nicht nur für JuristInnen, sondern für jede_n kritisch Interessierte_n bietet diese Geschichte der politischen Justiz die Möglichkeit, sich hintergründig zu informieren und einen Einblick in die Ambivalenz der Rechtswissenschaft zu erhalten. Und da die universitäre Juristenausbildung, ein Thema, mit dem ich mich viel auseinandersetze, an vielen Stellen konzipiert ist, die StudentInnen zu unhinterfragtem Rechtspositivismus auszubilden (eine Erfahrung, die übrigens auch Heinrich Hannover aus seinem Studium zog), bietet dieses Buch die Chance, anhand von plakativen Beispielen der Geschichte die Perspektive zu erweitern.

Abspann.
Es wird Nachmittag. In der Spüle stapelt sich angeklebter Reis auf einem Teller von gestern Abend neben Kaffeetassen und einer Horde Müslischalen, deren Herkunft ich noch nicht durchschaut habe. Chaos beseitigen und dann ins Auto, A 81 Richtung Stuttgart.

Sonntag, 6. September 2009

in between summer

Ich bin zurück. Finally, nach drei eigentlich kurzen Wochen, davon 2 größtenteils auf französischem Atlantikstrandboden und eine in Esslingen // Stuttgart, dem alten Heim. Trotz des mittlerweile gewohnten Dahinfliegens der Zeit unterwegs betrete ich vorgestern Abend unsere Wohnung in Heidelberg und freue mich über so alltägliche Dinge wie die Schönheit unseres Holzdielenbodens, die in der kurzen Zeit vor meinem inneren Auge verblasst zu sein scheint. Dort konfrontiert mit einem übervollen Briefkasten, mitunter eine Mahnung des Finanzamts (ich muss für unsägliche dreihundert Eurokronen Nebenerwerb in 2008 eine Steuererklärung abgeben), eine Wahlbenachrichtigung und Rechnungen für meinen Tageszeitungskonsum neben erfreulichen Dingen wie einer Postkarte aus Barcelona. Dank meines Briefkastens hat mich der Alltag also innerhalb von Minuten wieder zwischen den Zähnen, was ebenfalls ein seltsames Gefühl hinterlässt, nach drei Wochen (mehr oder minder) ohne Internet und Mobiltelefon (Akkuversagen). Meine elektronischen Kontaktwerkzeuge haben mir wenig gefehlt, und doch benutze ich sie mit wachsender Begeisterung seit meiner Rückkehr, das ist wohl der postsommerliche Lauf der Dinge.

Diesem Phänomen rechne ich ebenfalls hinzu, dass ich jetzt an einem mit grauweißem Himmel bedeckten Sonntag im Kapuzensweater auf dem Sofa sitze und einen Kräutertee trinke, in dessen Produktbezeichnung "Harmonie" vorkommt. Die warme Flüssigkeit rinnt in regelmäßigen Abständen warm meine Speiseröhre hinunter, wie herbstlich, ich muss mir die Ärmel ein Stück hochziehen, wenn auch nur aus Trotz, um meine nun sichtbaren Unterarme in französischer Atlantiksurfbräune zu betrachten, es kann noch nicht allzu lange her sein.

Ich nutze den von dicken Wolken abgeriegelten Sonntagnachmittag, um Urlaubsfotos zu sortieren, zu bearbeiten und mich währenddessen an viele kleine Begebenheiten zu erinnern, mich darüber zu amüsieren und das Geschehen via Mediathek und neuer Wiedergabeliste mit dem eben entstandenen Titel Der postsommerliche Lauf der Dinge mit Dillon, The Gossip und Lykke Li zu intonieren.
Nachdem der Mann zwischenzeitlich das Steuer übernommen hat, wähle ich auf dem Weg nach Cap Ferret // Atlantik an irgendeiner schweizer Tankstelle zwischen Zürich und Bern die aktuelle Vogue zu meiner Autofahrtzeitschrift und fühle mich, das nicht enden wollende Anti-Aging-Specials durchblätternd, recht jugendlich. Mit dem Kommentar versehen, dass ein Vogue-Abo wohl schon allein wegen mangelden Alterserscheinungen zum gegebenen Zeitpunkt nicht in Betracht kommt (nach meiner Neon-Kündigung befinde ich mich immernoch auf der Suche nach Ersatz) weicht dieses Gefühl der abfälligen Verwunderung als ich zum Vogue Beauty Teil auf Seite 176 gelange, innerhalb dessen mit einer Portion Hochglanz lackierten sogenannten Inhalt ein "Gym-Set" aus dem Hause Louis Vuitton beworben wird. Unter der Plastikfolie verbirgt sich ein Baumwollhandtuch sowie Schweißbänder für Stirn und Handgelenke, 215 Euro soll das kleine, Wellness und körperliche Ertüchtigung inszenierende Paket kosten, selbstverständlich dank des großflächig aufgetragenen Markenschriftzugs. Es ist ja nicht so als würde ich nicht wissen, zwischen den Seiten der Vogue das ein oder andere Designobjekt vorzufinden, welches mein studentisches Budget übersteigt. Aber, Entschuldigung, what the fuck? In der Regel genieße ich die neu geschöpften Innovationen in Schnitt und Stoff, verpackt in beeindruckender Modefotografie, oder von mir aus auch zwischendurch irgendwelche besonderen Körperpflegeartikel. Das in Plastik verpackte Frottee-Erzeugnis kann meines Erachtens jedoch weder stilistisch noch zweckbetreffend eine besondere Eigenschaft für sich beanspruchen - wem also gar nicht mehr einfällt, wie man das Geld noch gekonnter, nur vermeintlich stilvoll aus dem Fenster befördert: bitte kaufen.

Währenddessen haben wir seit der Tankstelle zwei von leichtem Bauernhofduft umwehte Pfadfinderjungens auf der Rückbank, die auf jeden Fall heute noch nach Lyon kommen wollen. Wir nehmen sie mit bis Genf, wo wir uns von Rolexflagstores und ähnlichem Pomp umgeben für Mäc statt Schnecken zum Abendessen entscheiden.Nach einem weiteren Tag und der folgenden Nacht auf einem als Campingplatz ausgewiesenen begrünten Acker, mit Sternenhimmel und der zugehörigen stillen Romantik einer Nacht im Nirgendwo erreichen wir den Zielort Cap Ferret. Weitere Ereignisse: Surf Lessons, ein Trip nach Bordeaux mit einiger Begeisterung für die Stadt - gemütlich durch viele kleine Gassen, beeindruckend durch teils imposante, teils schnörkelige Altbauten und mit ihren vielen kleinen Läden und Kaffees ebenso viel Zeit beanspruchend, um sowohl Menschen als auch die ein oder andere Klamotte zu betrachten. Weiterhin ein Abendessen in strandnahem Hinterhofrestaurant mit Austern, gegrilltem Thunfisch, Rosé und einem traumhaften Nachtisch, dessen Name mir entfallen ist. Es hatte mit karamellisierten Äpfeln zu tun, flambierten Teigstückchen und Vanilleeis. Ansonsten ist mein bestes Urlaubsmitbringsel brettförmig und heißt Polly. Ab und an stehe ich wohl darauf, Dingen Namen zu geben, mein Fahrrad heißt übrigens Rosi, soviel dazu.
Ich bin weit von irgendeiner Form der Perfektion meiner Surfkünste entfernt und erinnere ich mich bereits mit Wehmutsanflügen daran rauszupaddeln, von der Welle getragen zu werden und auf dem Brett zu stehen, wenn auch gefolgt von schnellen Stürzen und honoriert mit monströsen Hämatomen an Knien und Becken. Da sich nun ein Brett mit dem Namen Polly mein Eigen nennt, wird die nächste surfin vacation nicht lange auf sich warten lassen, im Warten war ich sowieso nie besonders talentiert.















And sometimes, a bag makes me happy. Dieses Exemplar hat unterwegs einiges durchgemacht, von Bordeaux nach Cap Ferret und den ganzen langen Weg zurück über Lyon, Genf, Zürich, Stuttgart bis nach Heidelberg. Und so herbstlich, wie sich dieser Sonntag bereits gibt, enthält meine strapazierfähige Tüte von Comptoir des Cotonniers die perfekte Klamotte für süddeutsche Septembertage. Schwerer schwarzer Strick, Baumwolle, toller Schnitt und ein Schleifchen. I like my first autumn accessoire.

Zurück vermisse ich das frische Baguette zum Frühstück, das Meer und die Möglichkeiten, die sich mit einem Campingplatz im Pinienwald direkt hinter der Düne ergeben. Täglich surfen zu gehen beispielsweise, oder die Zeit dazwischen für nichtstun, schlafen und Bücher lesen.

Und zurück geht der Wahlkampf in die heiße Phase, aber ich vermisse spannende Thesen und Kontroversen, das Spektakel erscheint gesetzt und hat einen Graustich, das Stichwort Wattewahlkampf bestätigt seine Entstehungsgeschichte. Ich werde die nächsten Wochen bis zur Wahl nutzen, um irgendwie geartete Polit-Informationshappen zu ergattern; wer Lust hat, mitzudebattieren und sich etwas lebhafter zu informieren, dem sei an dieser Stelle die Wahlkampfarena beim Freitag empfohlen, die auch ich in nächster Zeit noch des Öfteren konsultieren werde. Von besonderem Interesse meinerseits wird unter anderem die Debatte, angestoßen durch die Nachfrage von Julia Seeliger, über den kümmerlichen Frauenanteil bei der Piratenpartei verfolgt, der bei geschätzten zehn Prozent angesiedelt wird. Man beachte die anschließende Diskussion, bei der die Frage zurückbleibt, warum eine sonst fortschrittliche neue Partei gerade an diesem gesellschaftlich elementaren Aspekt zu scheitern im Begriff ist. Hierbei ist es sicher zu einfach, die Thematik mit dem Hinweis abzulegen, dass der Ursprung der Partei, das Internet, aufgrund seiner technischen Bezüge zur männlichen Dominanz innerhalb der Piraten führt. Soweit zunächst zur anstehenden Bundestagswahl.

Zudem werde ich mich für einen Artikel für den Reader des Arbeitskreises kritischer JuristInnen Heidelberg mit feministischer Rechtswissenschaft befassen, thematische Anregungen hierzu sind herzlich wilkommen. Und zuallererst: eine weitere Tasse Tee trinken und höchstwahrscheinlich heute Abend vor dem Tatort das Sofa endgültig zum Möbelstück des Tages erklären.

foto // cardigan: comptoir des cotonniers

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