Mittwoch, 9. September 2009

zu hause // retrospektiv

Lange nicht gesehen. Es fühlt sich gut an, hier oder dort und abhängig vom Ort des Geschehens bleibt die Wiedersehensfreude oder ein fader Nachgeschmack am Gaumen kleben. Manchmal schmeckt es nach Milchschaum, sonnengelb süß prickelndem Maracujaschorle und guten alten Zeiten, manchmal grau und zäh, wie zu spät entfernter Kaugummi.

Vor einem Jahr ziemlich exakt bin ich ausgezogen, studieren und mir einen neuen Flecken auf der Landkarte zu Eigen zu machen. Die spärlichen Besuchswochenenden in der in den letzten zwölf Monaten mit Essen und zwischenzeitlicher Okkupation der heimischen Polstermöbel verbracht bin ich gestern zurückgekehrt, wenn auch nur für ein paar Tage.

Der Ortswechsel ist vollzogen. Auch die letzten meiner einstigen Banknachbarn haben es mir inzwischen gleichgetan, in der alten Heimatstadt die Segel zu streichen um irgendwohin aufzubrechen und die postabiturielle Zukunft zum Jetzt zu machen. Es gibt Cafés hier, in denen wir vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam in den Tag gelebt haben, ein Nachtasyl, wo man an jedem Abend der Woche mindestens eine Hand voll bekannter Gesichter antraf und Nächte in Stuttgart, nach denen wir uns mit dem letzten Döner abgefrühstückt betrunken im Nachtbus auf der Heimreise wiederfanden. Gestern: den Tag in Stuttgart verbracht sowie den Abend in einem der Wohnzimmer meiner Schulzeit mit einer alten Freundin, die ich aus Grundschultagen kenne. Ein wunderbarer Tag, das Gefühl der Durchreise bleibt.
Die alten Wohnzimmer haben entweder neue oder gar keine Bewohner gefunden, man muss sich verabreden, im Zweifelsfall bis Weihnachten, da werden sich wohl auch innerhalb der nächsten zehn Jahre noch alte Freunde am warmen Herd der Eltern versammeln.

Nicht ohne ein selbstironisches Grinsen rekapituliere ich erste nächtliche Ausflüge in die Metropole nebenan, wir waren 14 und legten uns ordentlich ins Zeug um unserer Jugend einen angesagten nachtkulturellen Anstrich zu verpassen, auch wenn wir uns nach einigen Türsteher-Absagen letzten Endes auf einer nicht besonders ruhmreichen u18-Party wiederfanden. Oder in den Clubs noch keiner tanzte, weil wir die letzte Bahn zurück kriegen mussten. Zur selben Zeit: Shoppingausflüge zu H&M in den Nachmittagsstunden, als die Stadt unserer Kindheit noch nicht mit einer eigenen Filiale aufwarten konnte, mit nach stundenlanger Überzeugungsarbeit aus der elterlichen Rippe geleierten Fünfzig Mark in der Tasche.

Aktuell: Neunzehn Jahre Lebenszeit. Gestern Abend habe ich mich über Hunde und menschlichen Nachwuchs unterhalten. Zu früh, noch, aber nach der Schule scheint alles möglich, auch dies belegen Beispiele meines weiteren Schülerinnenumfelds.

An dem Ort, an dem wir uns bis in die frühen Morgenstunden zu Elektro und Indiemusik mit Bier in Bügelflaschen betranken trifft man nun ab und an die Kumpanen meines jüngeren Bruders oder niemanden. Das selbe Schicksal wie das des Ortswechsels scheint auch den Generationswechsel ereilt zu haben - abgeschlossen, der Zusammenhang ist naheliegend.

Durch fünfzehn Minuten Fahrt mit der S-Bahn von der dahinsiechenden Erinnerung getrennt: Stuttgart. Von jeher kein Ort, den man besucht, um innerhalb weniger Kilometer mehreren bekannten Gesichtern über den Weg zu laufen hat sich mein Konsum dieser Stadt über die Jahre verändert, wo die Möglichkeiten meiner deutlich kleineren Heimatstadt sind in diesem Punkt an ihre infrastrukturellen Grenzen stoßen.

Mit 15 war Stuttgart dank Starbucks, H&M und einer Buchhandlung von annehmbarer Größe mein Paradies und Taschengeldgrab. Die Buchhandlung ist geblieben, die anderen beiden sind nun auch nach nebenan übergesiedelt. NewYorker und Pimkie sind auf meiner ShopsILike-Liste anderen, innovativeren, nicht zuletzt reiferen Textilherstellern gewichen, in der Zwischenzeit wurde auch die Café- und Kneipenkultur erfolgreicher durchleuchtet. Das alles, um im Laufe des Wochenendes den Zug nach Heidelberg zu nehmen, Rückkehr: unbekannt. Weihnachten, spätestens.

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