Mitte September. Nieselregen bei 18°C Außentemperatur, schon wieder finde ich mich teetrinkend auf der Couch wieder; grünen diesmal, nachdem ich es nach monatelangem auf meiner imaginären to-do-liste Herumdümpeln heute nach geringfügigem Voranbringen meiner Strafrechtshausarbeit endlich auf die Reihe gekriegt habe, im Supermarkt ein paar Teefilter zu erstehen. Alltäglicher Lebensmitteleinkauf in Heidelberg Mitte, Ort des Geschehens.
16:30 Uhr, erste VertreterInnen der arbeitenden Bevölkerung drängeln gepflegt zwischen den Regalen um sich heute Abend was hübsches zu zaubern, an der Kasse setzt feierabendliche Schlangenbildung ein. Meine eigenen Köstlich- und Nützlichkeiten für den Montag und hoffentlich auch ein paar Tage länger zusammengerafft reihe ich mich ein und überfliege beim Warten die aktuellen Zeitschriftencover. Das Knutschbild der Neon erlangt als erster Titel meine mit Krawatten und Einkaufswägen geteilte Aufmerksamkeit, vielleicht hätte ich in den Moment nutzen, den Blick abwenden sollen. Meine Neugier war schneller, musste ich mich schließlich zunächst fragen, ob die genießend gesenkten Augenlider nun die Story einer neuen sexuellen Revolution oder Liebe, Sex und Zärtlichkeit frei nach Bravo-Facon ankündigen. Bei näherem Hinsehen also: "Sofort verlieben! Warum wir der »Liebe auf den ersten Blick« vertrauen können - und wo man sie findet".
Dazu fällt mir erstmal nicht viel ein. Und als nächstes nach Wenig, dass ich noch nie so glücklich war, die kurze Liason mit dem selbsterklärten Generationsversteher im Magazinformat bereits vor zwei Monaten einseitig aufgekündigt zu haben. Vermutlich wäre es direkt nach der Ankunft im Briefkasten aufgrund seiner neonbunten Lächerlichkeit ohne größere Umwege in die Papiertonne befördert worden, freigegeben für das anschließende Recycling.
Schon vor einiger Zeit habe ich mich mit dem - ungeliebten - Stichwort "Generation Neon" auseinandergesetzt, die dort attestierte Entwicklung des Blattes zu einer Art Bravo für Mittzwanziger mit deplatzierter Ratgeber-Attitüde will man in München nicht mehr aufhalten. Entweder es funktioniert, oder die Kohle ist alle. Neben der neuen Gefühlsheadline vermögen auch die anderen Cover-Artikel nicht zu überzeugen: der Tränenfaktor wird erneut plattitüdenhaft abgedeckt dank der Mein-Partner-ist-tot-Story, ein paar Inhalte aus der Mikrowelle ("Schlacht im Meer - Wie militante Tierschützer versuchen, das Millionengeschäft der Walfänger zu stören") haben es daneben auch noch auf den Titel geschafft.
Auch der Magazintext heiligt nicht das flache Cover. Ein paar Wissenschaftler, die erklären, dass man sich tatsächlich auf den ersten Blick verlieben kann. Ob Gruner&Jahr nun endgültig das Geld für Qualitätsjournalismus ausgeht oder ob ich ein weiteres Resultat eines lieblos zusammengezimmerten Generationsabbilds in Händen halte frage ich mich mehr, als mich der eigene Hormonhaushalt derzeit beschäftigt. Die Liebe entmystifizieren, das haben die Druckerzeugnisse meiner Teenagerzeit auch schon versucht.
Sie liegt also wie jeden Monat neu in der Zeitschriftenauslage, die Generation Neon, und wirbt mit Gefühlen und Geknutsche um Käufer innerhalb ihrer nach eigenen Angaben breiten Zielgruppe. Selbige umfasst bekanntlich meine Generation in allen altersmäßig vorhandenen Ausprägungen, von -Teen bis Mitte dreißig. Schon allein der Anspruch, ein Magazin für eine ganze Generation herausgeben zu wollen beinhaltet die Durchschnittlichkeit im Nebensatz. Diesen Monat gibt es dafür eine im Vorbeigehen hingeknutschte Liebesgeschichte.
bild: neon.de
Montag, 14. September 2009
3 Kommentare:
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Schöner Kommentar :) !
AntwortenLöschenDie Neon lese ich sehr gerne. Mein Lebensgefühl deckt die Zeitschrift längst nicht komplett ab, muss sie aber nicht. Sie ist mir eine gute Begleitung in der S-Bahn oder im Bus.
AntwortenLöschenHi! Cooler Blog! Schön zu sehen, dass sich auch noch andere kritische JuristInnen in der Blogosphäre umtun. Super auch, dass ihr einen AKJ in HD gegründet habt. Good Work! Bei Interesse an Vernetzung (mit anderen Gruppen, Forum Recht, ...) gerne Mail an: rogue.blogsport[at]web.de
AntwortenLöschenGruß
Rogue