Auch sechs Tage nach Ende der Fashion Week in Berlin löst sich der inhaltliche Knotenpunkt nur stockend. Debatten über die Existenzberechtigung der Hauptstadt als Modemetropole, die Rolle des Diskurses in der Blogosphäre und die gebotene Kost für hungrige Konsumenten halten mich und das Netz in Atem, noch immer, ein wenig. Nach nervenaufreibendem Waten durch gewohntes Schneetreiben, Absolvieren des Universitätsalltags und ausgiebiger Textproduktion für das Missy Blog komme ich an einem Freitagnachmittag vor dem Laptop langsam zu Kräften - neue Formen des Winterschlafs, aus denen man am Ende der Woche mit müden Augen erwachend aus dem Fenster blickt.
Tanzen. Bei den ersten sanften, sektperlenden Berührungen einer Jugend mit dem Nachtleben verkehrte man vorwiegend in vereinzelten süddeutschen Kellerclubs, in denen für fünf Euro die im wesentlichen mit Gitarren ausgestattete Indie-Avantgarde den Sound für Teenierebellionen zum Besten gab. Die gute Zeit der Subkultur begann früh, mit dem Kommerz zu flirten bis eines Tages Dance with Somebody von Mando Diao die Ehe vor den Augen ihres skeptischen Publikums besiegelte. Daneben reihenweise hübsche Bübchen mit zerzausten Haaren, inthronisiert von der Musikindustrie und fitgemacht für den Trend der Masse. London als Zentrum der Macht und der stetigen Reproduktion des Britpopjungen fungiert unterdessen im selben Moment als Quelle einer neuen musikalischen Strömung, the so called wonky pop. Schräg, laut, bunt und trotzdem Pop, durchsetzt von karibischen Klängen, Rap und Elektrobeats distanziert er sich bewusst von einst Indie getauften plastic boys und nimmt damit die Clubs mehr und mehr in Beschlag.
Bezeichnend ist allem voran die Weigerung der Künstler_innen, ihre echten und exquisiten Persönlichkeiten einer Marketingstrategie unterzuordnen. Eine von ihnen, The Cocknbullkid, die ihre Musik mit sounds like crying and trying not to laugh at the same time beschreibt, erzählt den Leuten von Arte (//Tracks vom 28.01.) zwischen zwei Liedern, dass sie wohl irgendwann früher einem industriellen Ideal entsprochen hätte - schlanker und mit geglättetem Haar, das sie heute in seiner ursprünglichen Afrokrause trägt, das sei alles scheiße, sie wollte sein wie sie ist, nur für sich, hätte sie sich damals gedacht. Man glaubt ihr, wie sie auf der Bühne steht und einem Weltschmerz ein farbenreiches Kleid aus markanter Popmusik überstreift, es ist die Überzeugungskraft ihrer Authenzität. Hörproben findet ihr hier.
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Bevor ich mich nun dem Sog des Wochenendes hingebe noch eine Textempfehlung bei der Mädchenmannschaft - Gebt den Mädchen ihre Sexualität zurück - ein Artikel, der auf den Text von Malte Welding zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Bezug nimmt:
"Bis heute akzeptieren wir, dass der erste Geschlechtsverkehr für Mädchen häufig mehr „naja” als „geil” ist, impfen ihnen „mach nichts, was du nicht willst” ein statt „finde heraus, was dir gefällt”, geben uns damit zufrieden, wenn der Partner verständnisvoll ist."
[Bild: The Cocknbullkid via derbyandfirst.com]
Freitag, 29. Januar 2010
3 Kommentare:
Netiquette
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Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenein letzter verweis auf die netiquette-> kommentare von anonym, erst recht die undifferenzierten, fallen dem delete-button zum opfer.
AntwortenLöschenIch bin gerade erst auf diesen Blog gestoßen und sehr angetan. Thematisch trifft es mich mitten ins Herz oder Kopf oder Bauch, irgendwo wo es Gefühle, Gedanken, Bewegung auslöst. Außerdem ein wirklich warmer, persönlicher, fantasievoller Sprachstil.
AntwortenLöschenGerade das Thema Feminismus wird in unserer Gesellschaft völlig falsch angegeangen und dargestellt. Ich kann mich hier unglaublich wiederfinden und kann endlich auch mal bejahend nicken, anstatt mit gefurchter Stirn diskutieren zu müssen. Das tut gut, zur Abwechslung.
Zu diesem speziellen Beitrag muss ich sagen: Genau so ist es! Wenn das hochstilisierte "Erste Mal" kaum oder nur ein ganz bisschen weh tut, ist das ja - nach medialer Darstellung in einschlägigen Jugendmagazinen - fast schon als Erfolg zu verbuchen.
Ich hatte die Erwartung, dass mein erster Sex toll sein würde und sollte. Und natürlich war es nicht so intensiv und verschieden und geil wie jetzt, aber es war stöhn und schwitz und auf eine eigene, da einmalige, Weise hocherotisch.
Viele meiner Freundinnen hatten anderes zu berichten, zwei sogar von sehr starken Schmerzen, und es klang immer ein wenig nach "habversuchtmichzuentspannenwarganzokay". Traurig.
Vielleicht hatte ich ihnen aber auch "nur" einige Jahre Selbstbefriedigung voraus. Lust war für mich seit meinem zwölften Lebensjahr ausschließlich positiv konnotiert. Selbstbefriedigung war jedoch nie wirklich ein Thema bei uns, erst als wir älter waren, gingen wir einfach selbstverständlich bei der jeweils anderen davon aus. Dennoch gibt es nach wie vor einige (mittlerweile) Frauen, die sofort einen Themawechsel einleiten, wenn es um diese Form der Sexualität geht. Interessanterweise auch einige der an sich besonders selbstbewussten, die gern über Sex sprechen - solange es den zu zweit betrifft.