Der Räumungsbeschluss wurde bereits am Freitagabend durch das Rektorat, vertreten durch Prorektor Roth, unterzeichnet - die Taktik dahinter ist klar. Rektor Eitel hat einen einfachen Weg gefunden, sich aus einem Dialog mit den Studenten herauszuwinden, indem er den friedlichen Protest kriminalisiert. In seinen Augen stellt sich die Situation wie folgt dar: Die Besetzer sind zu weit gegangen, haben sich selbst die Möglichkeit eines Dialogs mit der Universitätsleitung verbaut, indem sie widerrechtlich in die altehrwürdigen Räume der Alten Universität eindrangen. Auf der offiziellen Homepage der Uni Heidelberg wird nun propagiert, dass die Möglichkeiten des Dialogs mit den Besetzern erschöpft gewesen seien und daher die polizeiliche Räumung als ultima ratio stattfinden musste. Eitel hätte mehrfach Gespräche mit den Besetzern geführt und versucht, die Diskussion aufrecht zu erhalten. Im weiteren Verlauf hätte Prorektor Roth am Freitagabend ein Positionspapier des Rektorats verlesen, in dessen Zentrum das Bemühen um einen kontinuierlichen Dialog mit den Studenten stand. Im Übrigen sei die Besetzung "mit den Prinzipien und dem Geist der Universität Heidelberg" nicht vereinbar.
Im Senatssaal der Alten Uni tagten am Freitagnacht mehrere hundert Besetzer in stundenlanger Plenumsarbeit über das weitere Vorgehen. Die Ziele waren - sind - weiterhin eindeutig: wir wollen mehr studentische Mitbestimmung an unserer Hochschule, den Ausstieg aus dem Projekt "Deregulierte Hochschule", in dessen Rahmen sich einzelne Unternehmen mit Unterstützung der Universitätsleitung Macht und Mitbestimmung an unserer staatlichen Universität wider die freie Bildung ergaunern und wir fordern die Humanisierung der Bachelor-Master-Studiengänge. Wir kämpfen für nichts geringeres als den Lebendigen Geist, für genau das Leitbild, welches sich unsere Uni auf die Fahnen geschrieben hat.
Es muss an dieser Stelle klargestellt werden: der Rektor persönlich hat lediglich ein Gespräch am Mittwochabend mit den Besetzern geführt; dieses ist ergebnislos verlaufen, da Eitel zu keinerlei Zugeständnissen bereit war. Des Weiteren war das sogenannte Positionspapier des Rektorats nichts als eine Farce, man wollte die Studenten in ein unbedeutendes Gremium einbinden, eine Art "Think-Tank", welches Mitbestimmung lediglich vorgaukeln sollte, denn: nicht anders ist es zu erklären, dass Prorektor Roth nicht bereit war, sich über die genauen Kompetenzen eines solchen Gremiums zu äußern. Die Vermutung ist insofern mehr als naheliegend, dass Eitel nie vorhatte, diesem universitären Organ jemals eine Form von Relevanz zukommen zu lassen; die klare Forderung der Besetzer war deshalb, die Sitzverteilung im Senat zu ändern und den Studenten 11 Sitze statt bisher nur 4 zukommen zu lassen. Auf diese Forderung sowie auf die meisten anderen ist das Rektorat jedoch in keiner Weise eingegangen, es liegt also auf der Hand, an welcher Stelle es an Dialogbereitschaft mangelte.
Mir ist unverständlich, in welcher Form die Besetzung gegen die ehrbaren Prinzipien unserer Universität verstoßen konnte. Der Protest verlief friedlich, im Senatssaal wurde konstruktiv über neue Ideen und Möglichkeiten diskutiert und insgesamt betrachtet war der lebendige Geist für mich nie so gegenwärtig wie dort in der besetzten Alten Uni.
Im Gegensatz dazu zeugt es nicht von einem lebendigen Geist des Rektors, in den Protesten einzig wegen des begangenen Hausfriedensbruchs einen Widerspruch zum "Geist der Universität" zu sehen. Genauso erscheint leider auch die Fachschaft Jura als eine Versammlung von Kleingeistern, welche nicht bereit waren, die überfälligen Forderungen der Demonstranten zu unterstützen und die Besetzung wegen ihrer Rechtswidrigkeit verurteilten (es ist wohl eher traurig als bemerkenswert, dass Juristen diesen Gesetzesverstoß erkannt haben).
Gestern Abend betrauerten wir den Tod der Demokratie an unserer Universität und hielten spontan eine Mahnwache vor der Alten Uni ab, wo wir Kerzen und Blumen niederlegten.
Solidarisiert euch und stellt eure Kerzen dazu, für den lebendigen Geist!
Apropos: wer Lust hat, kann sich gerne meine Stellungnahme an die Fachschaft Jura im Gästebuch unter www.juhei.de durchlesen
Im selben Lichte ist wohl auch der Brief von Prorektor Pfeiffer, eines weiteren Hardliners der Universität, an die Dekane zu lesen:
Von: Pfeiffer, Thomas
Gesendet:* Donnerstag, 18. Juni 2009 13:27
An: [...]
Betreff: AW: Causa: Bildungsstreik
Spectabiles,
liebe, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,
wie Herr Kollege Kruse, dem ich sehr herzlich danke, bin ich der Überzeugung, dass wir der rechtswidrigen Besetzung des Rektorats jeden Anschein einer durch die Studierenden dieser Universität in der Breite unterstützten oder gar legitimierten Aktion nehmen sollten.
Die Fachschaft Medizin hat sich bereits distanziert. Weitere Fachschaften werden derzeit um eine Stellungnahme ersucht.
Es wäre daher in hohem Maße wünschenswert, wenn es gelänge, von möglichst vielen Fachschaften dieser Universität ein Zeichen der Distanzierung oder Missbilligung zu erlangen. Das Rektorat möchte Sie sehr herzlich bitten, den Versuch zu unternehmen, dies bei anderen Fachschaften ebenfalls zu erreichen.
Bitte geben Sie dieser Sache im Interesse der Universität und eines offenen Diskurses eine höchstmögliche Dringlichkeit.
Bitte senden Sie etwaige Stellungnahmen an
[...]
Es grüßt mit herzlichem Dank
Ihr
Thomas Pfeiffer
Quelle: http://www.fachschaftskonferenz.de/aktuelles/fachschafts-stellungnahmen/bitte-des-rektorats-um-stellungnahme.html
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