Ich hatte es ja befürchtet, aber es ist nie angenehm, durchzufallen. Zivilrecht - 3 Punkte. Nun werde ich wohl gezwungenermaßen in der nächsten Woche meine Gedanken um die Scheinnoten kreisen lassen, damit ich den Schein überhaupt kriege im Bürgerlichen Recht.
Was für ein Tag, überhaupt. Er fängt gut an mit Kaffee, Neon lesen in der Vorlesung (da ich es nicht ertragen habe, die Klausurbesprechung in voller Länge über mich ergehen zu lassen) und dann: durchgefallen. So schnell kann das gehn. An der Exzellenz-Universität Heidelberg wird einem eben beigebracht, was das Einser-Abi wert ist, damit ist man nämlich noch lange nicht exzellent. Der Herr Professor gibt sich dementsprechend herablassend-genervt auf die Frage nach den Remonstrationsfristen. Aber warum nicht die Klausur nochmal einreichen - habe ich doch nichts zu verlieren, außerdem bin ich mit der Korrektur alles andere als einverstanden. Aber nun gut, die nächste wird besser, abgehakt.
Gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass nicht jeder eine solche Klausur so einfach abhaken kann, denn Selbstzweifel sind gemeine nagende Tiere. Sie fressen sich ins Herz und lähmen den Verstand, völlig gleichgültig, ob man irgendwann mal gedacht hat, dass man das mit dem Jurastudium schon irgendwie schafft, gegen diese Plage muss schweres Geschütz aufgefahren werden. Wer kann schon von sich behaupten, unerschütterlich an sich selbst zu glauben? Ich kann zumindest von mir sagen, dass ich mich von einer versägten Klausur noch nicht aus der Bahn werfen lasse und weiß aber auch, dass das nicht selbstverständlich ist.
In einer zweistündigen Klausur bekommen wir einen Sachverhalt von einer DINA4-Seite vorgelegt, von einer Komplexität die im 2. Semester Ihresgleichen sucht. Das ist Heidelberg, Danke an die Exzellenz-Initiative. Ich möchte hierbei nicht falsch verstanden werden, ich habe keine Zweifel an meiner Intelligenz und habe grundsätzlich nichts gegen einen hohen fachlichen Anspruch.
Unter einer exzellenten Hochschulausbildung verstehe ich jedoch nicht nur inhaltliche Anforderungen sondern vor allem eine angemessene Vorbereitung der Studenten auf die zu bewältigenden Herausforderungen. Dazu wären zum Beispiel Seminare mit geringer Teilnehmerzahl und die Ausbildung durch Professoren förderlich, die nicht nur einen exzellenten Ruf sondern auch ein offenes Ohr für die Studenten haben und ihre Vorlesungen nicht als lästige Pflicht sondern mit dem Elan angehen, ihr Wissen weitergeben zu wollen.
Würde man einen Studenten in Oxford fragen, was er von geisteswissenschaftlichen Seminaren in der Größenordnung von 50-70 Teilnehmern, wie sie in Heidelberg Gang und Gäbe sind, hält - er oder sie würde nicht glauben, dass das bei uns Uni-Alltag ist. Denn die "University of Heidelberg" hat im Ausland eine hervorragende Reputation, die der Realität an vielen Stellen nicht gerecht wird.
Mittlerweile ist unser Rektor weiter dabei, unsere Hochschule zu verwirtschaften. Das Projekt "Deregulierte Hochschule" hat heute in Form der feierlichen Eröffnung von lustigen roten Buchstaben auf dem Uniplatz mal wieder Gestalt angenommen. Zusammengesetzt ergeben die Buchstaben die Worte "Dem lebendigen Geist" - was auch sonst. Einer meiner Mitstreiter meinte dazu:"Über der Tür der Neuen Uni waren die Worte mal ein Anspruch an die Universität, das hier ist nurnoch Marketing." - wie Recht er damit hat. Die roten Buchstaben parodieren vielmehr den lebendigen Geist, der lange vor Herrn Eitel an der Uni Heidelberg wohl einmal geherrscht haben muss. Heute hingegen wird eben dieser Geist in hierarchische Strukturen gepresst, Herr Eitel hat in ungezählten Aussagen (eine davon:"in meiner fünfköpfigen Familie darf auch nicht jeder mitreden") mehr als deutlich gemacht, was er von studentischer Mitbestimmung hält. Weiterhin bekämpft der Rektor gezielt die freie Bildung und Lehre in dem er private Unternehmen einlädt, sich an unserer staatlichen Hochschule zu engagieren und sich von MLP, Freudenberg und Konsorten hübsch renovierte Gebäude finanzieren lässt - zugunsten des lebendigen Geistes, versteht sich. Tatsache ist jedoch, dass dies zwar äußerlich dem Ruf der Uni nützt, inhaltlich verändert sich jedoch nichts; die Lehrbedingungen sind weder seit Einführung der Studiengebühren noch seit dem verstärkten Engagement einzelner Unternehmen maßgeblich verbessert worden. Und sollte das Sponsoring durch die Wirtschaft tatsächlich Forschung und Lehre dienen, dann nur in den Bereichen, die für die einzelnen Unternehmen interessant sind - unter freier Bildung verstehe ich etwas anderes.
Zudem ist es insgesamt bedenklich, dass der Finanzdienstleister MLP, dessen erklärte Zielgruppe junge Akademiker sind, unter dem Deckmantel des Rektorats an einer staatlichen Hochschule Kundenakquise betreibt.
Bei der Eröffnung waren wir natürlich dabei und haben Flyer verteilt, die unsere Ablehnung der "Deregulierten Hochschule" begründen. Wir waren vor Ort, um unseren Forderungen erneut Ausdruck zu verleihen, da der Rektor sich weiter dem offenen Diskurs verweigert.
Dazu eine kleine Begebenheit am Rande: Nach den Festreden der anwesenden wichtigen Menschen kamen wir mit einer Unternehmerin von Freudenberg ins Gespräch, die sowohl unsere Ansichten als auch den Protest zunächst, wie zu erwarten, missbilligte, aber trotzdem zu einem offenen Gespräch bereit war und sich interessiert gegenüber den vorgetragenen Argumenten zeigte. Insgesamt hatte sie sich ganz offensichtlich noch nie mit dem Standpunkt der Studierenden zu Eitels Lieblingspropagandaprojekt beschäftigt. Und ja, sie musste eingestehen, dass wirtschaftliches Engagement an der Hochschule auch seine Schattenseiten hat. Wir waren da, im Dialog mit den Anwesenden, einzig der Rektor würdigte uns keines Blickes (abgesehen von einem abfälligen Kommentar durchs Mikrofon). Die Möglichkeit des Dialogs besteht, nach wie vor, wir suchen ihn. Aber wir suchen ihn fernab von hierarchischen Strukturen, in denen wir schon zu oft untergegangen sind.
Freitag, 26. Juni 2009
1 Kommentar:
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Das gefällt mir. Zuerst Oxford hervorkramen als Gegenbeispiel zur schlechten Lehre Heidelbergs und dann vergessen, dass Oxford gerade aufgrund der Studiengebühren und des wirtschaftlichen Engagements die Leistungen bieten kann, die es bietet, im gleichen Atemzug aber den Tod der Wissenschaft einläuten wenn Heidelberg es Oxford gleichtun will. Ich habe in England eine Zeitlang studiert und ein Staatsexamen im deutlich zweistelligen Bereich nach einem Studium an einer deutschen Hochschule erreicht. Ich kann Dir nur raten: Hör auf dir einzureden, dass du nicht flennst, reiß Dich zusammen und merk Dir eines: diejenigen, die Prädikate schreiben sind die, denen klar ist, dass es nicht am Professor, nicht an der Uni und nicht an den Klausuren liegt, wenn man versagt, sondern nur an einem selbst. Meine Arbeitsgruppe (die alle ein Prädikat geschafft haben) hat mindestens 1,5x so viele Wochenstunden außerhalb der Vorlesungen gelernt, wie in den Vorlesungen. Nur für Schlaffis ist der Professor schuld an schlechten Noten.
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