gestern, bundesweite Bildungsstreik-Demonstrationen. Ich bin nach wie vor beeindruckt, dass die gelben T-Shirts tatsächlich die Massen mobilisiert haben - und das nicht nur in Berlin und Hamburg, sondern auch hier im behäbigen Süden. Und damit nicht genug: Hier in Heidelberg ist seit nun mehr als 24 Stunden das Rektorat unserer Universität besetzt, es finden zahllose "Alternative Lehrveranstaltungen" statt, der Bildungsstreik ist ganz plötzlich in aller Munde und es macht mich glücklich, dass der bis vorgestern noch vereinzelte, naiv wirkende Protest beginnt, Form anzunehmen.
Das Rektorat ist besetzt - und ich bin sicher, dass ein Großteil der Heidelberger Studenten diese Aktion unterstützt, schließlich ist Rektor Bernhard Eitel bereits in der Vergangenheit durch herablassende Äußerungen bezüglich einzelner Aktionen von Studenten, die sich für eine Verbesserung der Studienbedingungen einsetzten, mehr als negativ aufgefallen. So kommentierte er die Besetzung des Romanischen Seminars im Mai diesen Jahres mit der Aussage, dass er auch noch "andere Problemchen" habe; im Hinblick auf die - berechtigte und überfällige - Forderung nach mehr Demokratie an der Hochschule verwies er auf gescheiterte Demokratisierungsprozesse im postkolonialen Afrika.
Der Rektor scheint seine unkooperative und verachtungswürdige Linie beibehalten zu wollen:
statt mit den Studenten in Dialog zu treten, zieht Eitel es vor, in einer inoffiziellen Krisensitzung mit den Dekanen der Universität zu verkünden, das Rektorat wenn nötig mit Gewalt und allen rechtlichen Konsequenzen räumen zu lassen. Weiter versucht er die Demonstranten durch willkürlich instrumentalisierte Stellungnahmen zu spalten, auf der Homepage der Uni Heidelberg lässt er beispielsweise folgendes Statement veröffentlichen: „Ich möchte Ihnen im Namen der Fachschaft Medizin Heidelberg mitteilen, dass wir uns nach eingehender Diskussion dazu entschieden haben, den Bildungsstreik nicht zu unterstützen. Wir gehen durchaus mit den Zielen des Bildungsstreiks konform, sind aber mit den gegenwärtigen Aktionen und wie sie praktiziert werden nicht einverstanden.“ Dabei geht die Tatsache leicht unter, dass diese Äußerung einer dürftig besuchten Feiertagssitzung am vergangenen Donnerstag entstammt, und somit einiges an Aktualität entbehrt.
Auf Bundesebene empörte mich vor allem die Äußerung von Annette Schavan, die Forderungen der Demonstranten seien teilweise "gestrig": meiner Ansicht nach ist es viel eher gestrig, das Bachelor-Master-System weiterhin ausschließlich als positive Innovation zu betrachten - schließlich werden hier keine Wissenschaftler und Freidenker mehr ausgebildet, sondern man züchtet privatwirtschaftliches Humankapital indem man den Studenten durch zu enge Lehrpläne und einen massiv erhöhten Leistungsdruck die Möglichkeit raubt, über den vielgepriesenen Tellerrand zu blicken.
Ich bin weit davon entfernt, dem laufenden Streik gänzlich unkritisch gegenüberzustehen und doch sprechen die Ereignisse der vergangenen zwei Tage eine andere Sprache. So langsam passiert, was ich bisher vermisst habe: es wird gefordert und zwar an den richtigen Stellen.
An dieser Stelle äußere ich die Hoffnung, dass auch die vereinzelten Schüler, die den Bildungsstreik bisher nur nutzten um blau zu machen und blau zu sein, nun auch anfangen, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen.
Ich blicke gespannt auf die kommenden Ereignisse, denn: es bewegt sich doch, hier in Heidelberg und hier in der Bundesrepublik.
bildungsstreik2009-hd.de
indymedia.org
Donnerstag, 18. Juni 2009
1 Kommentar:
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Demokratisierungsprozesse im postkolonialen Afrika...nur keine falschen Eitelkeiten der Herr
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